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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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Deutschland seinen Arbeitslosen gegenüber nicht besonders großzügig. Wie eine Studie der OECD zeigt, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erhalten Erwerbslose in vielen anderen europäischen Ländern mehr Geld. Nach fünf Jahren Arbeitslosigkeit bekommt ein Alleinstehender nur noch 36 Prozent seines früheren Nettoeinkommens. Damit steht Deutschland auf Platz 14 der Rangliste von 29 Ländern.
    Dabei bin ich mit meinen Sorgen eigentlich zu früh dran. Ich greife vor. Schließlich bin ich zum Glück noch am Anfang und muss den Gründungszuschuss überhaupt erst einmal bekommen. Das kostet mich viel Zeit und Arbeit, die von meinen Aufträgen abgehen. Inzwischen habe ich zwar den Businessplan und die nötige positive Stellungnahme dafür. Aber nun fehlt mir noch eine Bestätigung vom Finanzamt.
    Johannes schickt mich ins Servicezentrum, aber ich beschließe, erst einmal dort anzurufen. Am Apparat ist ein sehr netter Finanzbeamter, der nur leider in einem mir nahezu unverständlichen und bislang unbekannten Slang spricht. Er verschluckt jede zweite Silbe. Es klingt ungefähr so: »Da bren Sie Frgbog zsteun Fassng«. Er nimmt sich viel Zeit, mir die nötigen Schritte und Unterlagen zu erläutern, und amüsiert sich sehr darüber, dass sie die vielen »Pappuntlag« von der Arbeitsagentur nicht wollen, und sogar mehrmals muss er darüber lachen – wenn ich auch nicht verstehe, wieso –, dass der »Finzmister« die Umsatzsteuer einbehalten will, sofern ich kein Kleinunternehmer bin.
    Dahinter steckt eine wichtige Information für mich. Wer im Jahr der Existenzgründung weniger als 17 500 Euro Umsatz macht und im darauffolgenden Jahr voraussichtlich noch unter 50 000 Euro bleibt, muss keine Umsatzsteuer abführen.
    Über meine Frage, ob ich zur Abgabe der Unterlagen einen Termin vereinbaren soll, verfällt er in hüpfendes Gelächter. Wenn ich ihn richtig verstehe, wurde seine Behörde so »zumstreicht«, dass sie keine Zeit mehr für Termine haben. Deswegen würde die Bearbeitung meiner Unterlagen auch zwei, drei Wochen dauern. Immerhin hat er so viel Zeit zum Telefonieren, dass ich mich schwertue, die Abschiedsformel einzuwerfen. Aber er gefällt mir, dieser Finanzbeamte. Ich hatte offenbar bislang ein völlig falsches Bild von der Behörde als grauer, strenger Beamtenapparat. Warum kann sich die Arbeitsagentur daran nicht ein Beispiel nehmen?

    Ein paar Tage später stecke ich noch immer mitten in den Vorbereitungen für die Existenzgründung und habe zunehmend das Gefühl, dass mir die Sache über den Kopf wächst. Erst telefoniere ich mit meinem Steuerberater. Ich will mich absichern, damit ich bei dem Formular des Finanzamts, mit dem ich meine Existenzgründung anmelde, nichts falsch mache. Wie immer, wenn ich anrufe, dauert das Gespräch unglaublich lange. Ihm fallen immer neue Informationen ein, die mit meiner ursprünglichen Frage nichts zu tun haben. Es ist, als wäre jeder einzelne Begriff ein Stichwort für ihn, sein Wissen über Steuerparagrafen loszuwerden. Zuerst rattert er sämtliche Belege herunter, die ich sammeln soll (»… C D-Rohlinge , Stifte – wirklich alles, was man so braucht«). Dann erläutert er mir ausführlich, wie meine Rechnungen auszusehen haben (fortlaufendnummeriert, mit Zeitangabe und Steuernummer et cetera). Und schließlich rechnet er mir vor und zurück, dass ich am besten sofort Umsatzsteuer abführen sollte. Ich stöhne innerlich, hatte ich doch gehofft, mir das für das erste Jahr meiner Selbstständigkeit sparen zu können.
    Danach meldet sich die Anwältin. Sie empfiehlt mir, in der Ausgleichsquittung, die mir mein früherer Arbeitgeber geschickt hat, den Passus, dass sämtliche Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten sind, durchzustreichen.
    »Rechtlich sind Sie nicht verpflichtet, das zu unterschreiben«, sagt sie. Ich widerspreche nicht, bin aber unschlüssig, ob ich das machen soll. Soll ich jetzt wirklich in dem Formular herumstreichen? Ich hätte lieber einen »sauberen« Abschied. Überhaupt will ich jetzt zum Ende kommen mit der Exarbeit, das endlich abschließen und nicht wegen ein paar Sätzen ein neues Fass öffnen.
    Außerdem ist der vierte Bewilligungsbescheid gekommen. Der sei nun in Ordnung. Allerdings will der Sachbearbeiter weitere Belege sehen. Er interessiert sich für das Jahr, für das noch keine Steuererklärung vorliegt. Langsam wird es mir zu viel. Ich will doch gar keinen höheren Freibetrag. Ich bin mit dem

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