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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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vergessen und es scheint so klar, dass das meine berufliche Zukunft sein soll.
    Aber sie hat natürlich auch Schattenseiten, die mögliche Selbstständigkeit. Darüber grübele ich dann nach, wenn ich nachts nicht schlafen kann. Statt zu träumen denke ich an Bewilligungsbescheide oder an die Umsatzsteuer oder an plötzliche Einfälle von sprunghaften Auftraggebern, die die bisherige Arbeit infrage stellen. Dann rechne ich wieder, wie gut die Auftragslage sein muss, damit ich Zahlungsschwankungen aushalten kann. Ich habe bereits gemerkt, dass die Honorare teilweise spät gezahlt werden, einige Rechnungen sind noch offen. »Und was mache ich, wenn ich mal krank werde?«, frage ich mich und schlage mich in der Dunkelheit mit Begriffen wie Krankentagegeld und Berufsunfähigkeitsversicherung herum. Irgendwann, nach Stunden des Sorgenwälzens, kapituliere ich und schleiche mich auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. Dort sitze ich dann mit einem verspäteten Glas Rotwein und einem Salamibrot auf der Couch und versuche, mich mit der Lektüre des Fernsehprogramms abzulenken.
    Es geht mir wie Luc. Auf einmal habe ich Angst vor Hartz IV. Das ist neu für mich. Als Angestellte habe ich mir nie darüber Gedanken gemacht. Ich hatte meinen Kündungsschutz und, falls es mich doch treffen sollte, die Gewissheit, Arbeitslosengeld beziehen zu können. Eine mögliche finanzielle Unsicherheitschien dadurch so fern. Jetzt beziehe ich Arbeitslosengeld und die Wochen, bald wohl auch die Monate, schrumpfen zusammen. Es geht so schnell. Ich habe Angst, dass die staatlich geförderte Zeit zu kurz sein könnte, um mich als Selbstständige zu etablieren, und dass uns das Geld nicht reicht, nachdem der Gründungszuschuss abgelaufen ist. Leider habe ich guten Grund für meine Skepsis. Selbstständige sind von der Wirtschaftskrise noch stärker betroffen als Angestellte, weiß ich inzwischen. 2009 hat jeder vierte Selbstständige deutlich weniger verdient als zuvor. Das zeigt ein Gehaltsreport des ›manager magazins‹.
    Dennoch versuchen sich immer mehr ehemals Festangestellte an das Leben als Selbstständige zu gewöhnen, oftmals notgedrungen. Die Zahl der Existenzgründungen steigt. Und das liegt laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn an den schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Selbstständigkeit könne eine gute, »in Einzelfällen die einzige Erwerbsmöglichkeit in Krisenzeiten bieten«, schreibt das Institut. Auch die Existenzgründungen mithilfe des Gründungszuschusses der Arbeitsagenturen nehmen zu. Im Frühling 2010 haben die Arbeitsagenturen 158 000 Existenzgründer gefördert und damit sieben Prozent mehr als im Vorjahr.
    Doch wenn es mit dem Gründungszuschuss nicht klappt, sich solide zu etablieren, bleibt danach tatsächlich nur noch Hartz IV, »die Grundsicherung für Arbeitslose«. Wer in diese Situation kommt, der rutscht kräftig ab. Das Schlimme ist: Wer erst einmal Hartz-I V-Empfänger ist, bleibt es mit großer Wahrscheinlichkeit auch länger. Das zeigt eine Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Wer es schafft, eine Stelle zu bekommen, muss Abstriche machen: Nur jeder dritte ehemalige Hartz-I V-Empfänger hat eine unbefristete Vollzeitstelle, jeder zweite verdient weniger als 7,50 Euro die Stunde und jeder vierte arbeitet unterhalb seiner Qualifikation. Knapp fünf Millionen Menschen mussten im Jahr 2009 von Hartz IV leben.
    Da passt es, dass in der Krise plötzlich Politiker fordern, dieBezugsdauer von Arbeitslosengeld I zu erhöhen, und darüber debattiert wird, Arbeitslosen mehr Vermögen zuzugestehen, das sie behalten dürfen. Genauso gibt es aber Stimmen, die die alte Mär vom faulen Arbeitslosen wiederbeleben. »In Deutschland gibt es Leistungen für jeden, notfalls lebenslang. Deshalb müssen wir Instrumente einsetzen, damit niemand das Leben von Hartz IV als angenehme Variante ansieht«, meinte etwa der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch. FD P-Chef Westerwelle warnt sogar vor »spätrömischer Dekadenz«. Dabei kann sich allein wegen der Zumutbarkeitsregeln kein Hartz-I V-Empfänger ein schönes Leben machen. Wer einen Job nicht annimmt, dem wird die – ohnehin magere – Unterstützung gekürzt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin bestätigt Hartz-I V-Empfängern eine »hohe Arbeitsbereitschaft«. 90 Prozent würden laut einer Studie des Instituts auch kurzfristig sofort eine Stelle annehmen.
    Im internationalen Vergleich ist

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