Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
Vom Netzwerk:
Enttäuschung zu verarbeiten.
    »Ich bin gefrustet, weil die nicht anrufen«, will ich Johannes vorjammern.
    »So ist das eben«, sagt er einfach. »Es läuft doch genug bei dir. Du hast viele Bälle im Spiel.«
    Stimmt, er hat recht und genau das Richtige gesagt. Sofort mache ich mich daran, den letzten nötigen Formularkram für die Selbstständigkeit zu erledigen und bringe anschließend gleich das Kuvert fürs Finanzamt zur Post. Danach eile ich zufrieden nach Hause. »Wahrscheinlich soll es so sein. Ich soll mich selbstständig machen«, unke ich ein bisschen Schicksal in mein Arbeitslosendasein hinein. Ich weiß, es ist albern, aber der Gedanke versöhnt mich.
    Den neuen Arbeitgeber hake ich innerlich ab. Und auch mit den anderen, bei denen ich noch Bewerbungen offen habe, versuche ich abzuschließen. Ich will in meinen Gefühlen nicht mehr abhängig sein von den Zeitplänen und Entscheidungenfremder Unternehmen. Es ist Zeit für eine neue Regel, eine Regel, die ich mir selbst immer wieder sagen muss, und mit dieser ist mein »Empfehlungskatalog« für Gekündigte komplett:
    Regel Nummer eins: Sorge für ein sehr gutes Zeugnis – und lass es prüfen.
    Regel Nummer zwei: Verwandle dich zum DI N-Bewerber .
    Regel Nummer drei: Stelle dich gut mit deinem Jobberater in der Arbeitsagentur.
    Regel Nummer vier: Hole
immer
rechtlichen Rat ein.
    Regel Nummer fünf: Lass dich nie unterkriegen und fang bloß nicht an, an dir zu zweifeln!

    Am Nachmittag treffe ich endlich mal wieder Sarah. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Früher kamen wir meist abends, nach der Arbeit, zusammen. Jetzt, wo der Abend zu meiner Hauptarbeitszeit zählt, habe ich oft keine Zeit für eine Verabredung.
    Nachdem wir schon seit zwei Stunden spazieren gehen, fällt mir auf, dass etwas fehlt. Sarah hat sich heute noch gar nicht über ihren Job beschwert.
    »Du erzählst gar nicht mehr so viel von der Arbeit«, sage ich zu ihr.
    »Es läuft«, sagt sie. »Und wenn es doch Ärger oder Stress gibt, habe ich mich inzwischen anscheinend daran gewöhnt.«
    Ich nehme an, dass es auch daran liegt, dass Sarah weniger arbeitet als früher. Sie hat ihre Arbeitszeit zurückgefahren und ist jetzt nur noch vier Tage die Woche im Büro. Sie spürt die finanzielle Einbuße zwar deutlich. »Aber das ist es mir wert«, sagt sie. »Ich will auch Zeit für mich und meine Freunde haben und nicht immer nur arbeiten.«
    Mit ihrem Teilzeitjob liegt sie im Trend. Immer mehr Festangestellte haben keine volle Stelle, nur noch 71 Prozent arbeiten Vollzeit. Von der Wirtschaftskrise sind Teilzeitarbeiter seltener betroffen, weil sie vor allem im Dienstleistungsbereich arbeiten. Aber dafür verdienen sie auch weniger. Im Durchschnitt werden für einen Teilzeitjob 16,04 Euro pro Stunde gezahlt.Bei Vollzeitstellen liegt der Durchschnitt bei 20,98 Euro. Das liegt auch daran, dass es kaum Führungspositionen in Teilzeit gibt. Der Haken daran: Auch später bei der Rente werden die Teilzeitarbeiter das geringere Einkommen spüren.
    Mich hat Sarah auf eine neue Idee gebracht. Ich könnte mich doch auch auf Teilzeitstellen bewerben! Falls es mit der Existenzgründung nicht klappt, würde mir eine Teilzeitstelle ein festes monatliches Einkommen sichern, daneben könnte ich weiterhin selbstständig arbeiten. So hätte ich noch mehr »Bälle im Spiel«.
    Auf Sarahs Fragen, wie es bei mir läuft, antworte ich nicht ganz offen. Ich unterschlage meine Bedenken und meine schlechten Bewerbungserfahrungen und meine ungewisse Zukunft, erzähle stattdessen nur von meinen Aufträgen.
    »Und das ist jetzt dein Plan für die nächsten Jahre, selbstständig zu arbeiten?«, fragt sie nach.
    Das bringt mich ein bisschen ins Stammeln. »Ja, aber wenn ich nicht genug Geld damit verdiene, muss ich mich eben wieder bewerben, äh, also, mir einen Job suchen.«
    Ich weiß nicht, warum ich nicht mehr erzähle, wir sind gut befreundet, Sarah und ich. Warum frage ich sie nicht, wie sie meine fünf Regeln für Jobsucher findet? Warum erwähne ich nicht, dass mich mein Exarbeitgeber nicht einmal als freie Mitarbeiterin will? Warum erzähle ich nicht, dass ich noch Bewerbungen offen habe – und es genauso gut sein könnte, dass ich in ein paar Wochen wieder angestellt bin? Warum erwähne ich nicht, dass mein brandneuer Plan B ein Teilzeitjob ist? Sollte meine erfolgreiche und optimistische Fassade schon so verhärtet sein, dass ich es noch nicht einmal schaffe, guten Freunden zu sagen, was wirklich

Weitere Kostenlose Bücher