Gefeuert
korrekten Bewilligungsbescheid völlig zufrieden. Plötzlich fällt mir etwas ein.
»Kann es sein, dass mir der Gründungszuschuss nicht genehmigt wird, weil ich schon vor der Arbeitslosigkeit neben der Festanstellung selbstständig gearbeitet und von Jahr zu Jahr mehr damit verdient habe?«, frage ich die Anwältin.
»Solange es sich um ein Nebeneinkommen handelt, dürfte das unschädlich sein«, erklärt sie mir.
Ich bin nicht wirklich beruhigt, als ich auflege. Das »dürfte« gefällt mir nicht. Außerdem macht mich dieser ganze Beleg- und Formularkram allmählich verrückt. Ich will doch nur in Ruhe arbeiten und nicht ständig Formulare und Kopien an Behörden und frühere Arbeitsstellen schicken und hoffen, dass ich alles richtig ausgefüllt habe und nichts zu meinem Nachteil ausgelegt wird.
Und gerade in diesem Moment zunehmender Überforderung und beginnender Verzweiflung ruft ein Kollege an, dem damals mit mir zusammen gekündigt wurde – und bietet mir seinen neuen Job an. In diesem Moment wirkt das auf mich wie die Rettung vor weiterem Behördenwahnsinn. Außerdem habe ich mir die vergangenen Tage so viele Gedanken gemacht, ob ich mir die Existenzgründung mit Familie »leisten« kann. Ich zeige mich sofort an der Stelle interessiert und bin sehr gespannt, wie es weitergeht.
Abends berichte ich Johannes von der neuen Wendung. Er reagiert sehr nüchtern.
»Warum wechselt er denn den Job?«, fragt er mich.
»Das liegt ihm nicht. Er will etwas anderes machen«, erzähle ich die Beweggründe meines Kollegen nach – zumindest soweit sie dieser mir verraten hat.
»Du doch auch«, sagt mein Mann.
Das sitzt. Ich bin kurz still und versuche in mich zu gehen. Aber ich habe die vergangenen Stunden innerlich schon Partei für diesen Job ergriffen. Ich bin nicht mehr frei in Gedanken, einzuschätzen, ob Johannes recht hat oder nicht. Ich versuche ihm zu erklären, warum ich plötzlich wieder so sehr an einer festen Stelle interessiert bin, nachdem doch die vergangenen Wochen alles auf die Selbstständigkeit zulief.
»Der Job ist gut bezahlt«, fange ich an. »Besser als mein alter. Und die Position ist offenbar nicht besonders anstrengend. Und das Team nett. Und ich habe mir die vergangenen Tage so viel Stress gemacht, ob das mit dem Gründungszuschuss wirklich hinhaut. Und wenn nicht, ob ich rechtzeitig einen Job an Land ziehe.« Je mehr ich rede, desto stärker spüre ich, dass ich mir das nicht ausreden lassen möchte. Ich will da hin zum Vorstellungsgespräch. (Dabei bin ich davon weit entfernt. Ich muss erst einmal abwarten, wie es ankommt, wenn mein Kollege mich bei seinem Noch-Arbeitgeber empfiehlt.)
»Ja, du hast recht«, sagt daraufhin mein Mann.
Das ist mir eine zu plötzliche Sinneswandlung. Warum gibt er mir so schnell recht? Das passt mir auch wieder nicht.
Weil ich mir nun selbst zu kompliziert werde, sage ich: »Ich gehe auf jeden Fall mal hin und schaue mir die Sache an«, um das Thema zumindest für heute Abend abzuschließen.
Später bestärkt mich noch Ella in meinem Entschluss. Ich will mich gerade in mein Home-Office zum abendlichen Arbeiten zurückziehen, da fängt sie an zu meckern.
»Na, toll. Die anderen Mamas haben abends immer für ihre Kinder Zeit! Da war es ja noch besser, als du den ganzen Tag gearbeitet hast. Immer bin ich abends allein«, wirft sie mir vor.
Das ist zwar übertrieben, schließlich ist ja Johannes auch noch da. Aber sie löst ein furchtbar schlechtes Gewissen bei mir aus. Und mein Vorsatz wird immer fester: Natürlich gehe ich zum Vorstellungsgespräch!
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Regel Nummer fünf
Von wegen Vorstellungsgespräch. Es sind bereits drei Arbeitstage vergangen, ohne dass ich irgendetwas von dem neuen Arbeitgeber meines Exkollegen gehört hätte. Und heute ist Samstag. Spätestens Freitagnachmittag hatte ich mit einem Anruf gerechnet. Ich hatte mir ausgemalt, das sei die Zeit, wo es ruhiger im Büro wird und auch ein gestresster Chef Zeit für ein Telefonat mit einer möglichen künftigen Mitarbeiterin findet. Ich bin enttäuscht.
Bewerben ist anstrengend, weil man sich mit jeder Bewerbung einen anderen Job zusammenfantasiert und herbeisehnt. In wie vielen neuen Büros ich mich schon sitzen sah! Jedes Mal, wenn es dann nicht klappt, entweder weil ich (noch) nicht eingeladen wurde oder das Gespräch nicht gut lief oder ich gleich eine Absage erhalte, kommt der Frust. Das ist ein richtiger Energiekiller und es kostet jedes Mal aufs Neue Kraft, die
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