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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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Termine kein Hinderungsgrund gewesen wären, wenn man wirklich mit mir hätte zusammenarbeiten wollen. Aber woran lag es dann? Am Preisschild, das mir aus dem Kragen hing, sicherlich auch nicht. So etwas ergibt eine nette (oder peinliche, je nach Standpunkt) Anekdote, aber deswegen sagt man doch nicht ab. Womöglich hat der Geschäftsführer tatsächlich das Budget für freie Mitarbeiter eingefroren. Oder wissen sie selbst nicht genau, was sie wollen – sind unklare Vorstellungen und schlechte Abstimmung der Grund für die Absage?
    »Vielleicht warst du dem Chef nicht leidenschaftlich genug«, will mich mein Mann aufziehen, aber nachdem er meine sich inzwischen ins Dramatische neigende Laune erfasst hat, meint er: »Lass es gut sein. Das passt schon so.«
    »Das passt schon so. Das passt schon«, wiederhole ich für mich. »Jetzt kannst du das Tempo etwas drosseln.« Tatsächlich habe ich die vergangenen Wochen richtig Stress gehabt. Ich habe so gearbeitet, als würde die Vertretung klappen. Das musste ich auch, sonst hätte ich es zeitlich nicht geschafft. Und ich habe in aller Eile meine Selbstständigkeit vorangetrieben, um sie rechtzeitig bei der Arbeitsagentur durchzubekommen.
    »Vor allem die Selbstständigkeit kannst du jetzt in Ruhe angehen«, rede ich weiter auf mich ein. Ich versuche, mich auf die positiven Folgen der Absage zu konzentrieren. Es gelingt mir nur nicht ganz. Sie hat mich sehr getroffen. Auf einmal erkenne ich, dass alle Versprechungen meiner früheren Chefs – »Ich würde dich sofort wieder nehmen, aber die Lage …« leere Versprechungen waren, dabei hatte ich sie die ganzen Monate im Hinterkopf, hatte Hoffnungen darauf gesetzt. Da wird nichts mehr kommen aus der Exarbeit. Das war’s. Endgültig. Es ist, als hätten sie mir ein zweites Mal gekündigt.

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    Die Existenzgründung
    Die folgenden Nächte träume ich von seltsamen Bürowelten, die immer Ähnlichkeit mit meiner Exarbeit haben. Es tauchen Exkollegen und Exchefs und Bewerber auf, die neue Aufgaben übernehmen und sich beweisen müssen. Es geht in diesen Träumen immer darum, Leistung zu zeigen.
    Das wundert mich etwas. Ich habe das während meiner Jahre in der Exarbeit nicht so albtraumhaft erlebt. Zumindest habe ich es nicht so in Erinnerung. Oder hat sich schon der milde Schleier des Vergessens darübergelegt? Mache ich mir im Rückblick die Exarbeit schöner als sie ist (Verzeihung: war)? Von dem Schriftsteller Sinclair Lewis ist das passende Zitat überliefert: »Man schimpft nur so lange auf die Arbeit, bis man keine mehr hat.« Hatte ich Grund zum Schimpfen?
    Wie war das damals? Sicherlich gab es einen hohen Erwartungsdruck, gut und viel zu arbeiten. Es fiel auch immer mehr an, da über Jahre Personal abgebaut wurde. Dazu kam die Einführung von Zielvereinbarungen und Leistungsbezahlung. Seither war ein Teil des Gehalts nicht mehr fix. Es wurde nur dann ausgezahlt, wenn Arbeitsziele, die zuvor mit dem Vorgesetzten festgelegt worden waren, erreicht wurden. Je zufriedener der Chef mit einem war, desto mehr Geld gab es. Das Ganze sollte Anreize schaffen, die Motivation steigern und gute Leistung belohnen (als würden Mitarbeiter nicht von sich aus gerne gut arbeiten, sondern müssten erst dazu angetrieben werden, indem man ihnen die Karotte vor die Nase hält). Bei uns Beschäftigten kam es eher als Geldsparidee an, die sich ein findiger Kopf in der Geschäftsführung ausgedacht hatte. Jetzt erinnere ich mich auch an die Kollegen, die mit dem herrschenden Leistungsdruck nicht zurechtkamen. Die aneckten, von Vorgesetzten gemobbt, krank wurden. Ich erinnere mich, wie furchtbar ich das fand, als unter der Hand der erste Burnout bekannt wurde, und wie hilflos ich mich fühlte, den Kollegenwirklich zu helfen, die es schwer hatten. Ich war ja selbst von oben bis unten mit Arbeit zugeschüttet und damit beschäftigt, durch die Arbeitstage zu kommen.
    Wenn ich nun morgens nach so einem Traum aufwache, bin ich froh, nicht mehr in diese hektische und komplizierte Bürowelt zu müssen. Dann gerate ich ins Schwärmen über die Freiheiten und Möglichkeiten, die mir eine selbstständige Arbeit eröffnen könnte. Den Arbeitstag kann ich selbst einteilen, statt Sklave vorgegebener Bürozeiten zu sein. Ich spare mir stundenlange unnötige Meetings und viele lästige Absprachen und kann so viel effizienter arbeiten. Ich kann meine Ideen sofort umsetzen, statt erst ein Team davon überzeugen zu müssen. Auf einmal sind alle Bewerbungen

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