Geflüster auf Burg Schreckenstein
euerem Streich. Leider hab’ ich nur zehn Minuten Zeit für dich. Schalte dein Aufnahmegerät ein, ich sag’ dir, was du wissen willst. Und auch noch etwas: Du fürchtest ganz richtig, daß Fräulein Doktor Horn Schwierigkeiten machen könnte. Also…“
Sie legte ihre Fingerspitzen an die Schläfen, starrte auf die Kristallkugel und gab ein Lebens- und Charakterbild von Beatrix, als seien Vergangenheit und Zukunft dasselbe und ihre Gedanken stünden ihr auf die Stirn geschrieben.
Nach ungefähr acht Minuten nahm sie die Fingerspitzen von den Schläfen, Florian konnte abschalten. Er stand auf und umarmte sie. „Tante, du bist der Mount Everest in unserer Verwandtschaft.“
Sie gab ihm einen Kuß. „Nanu, Schreckensteiner schwindeln doch nicht? Du weißt genau, daß ich in der Familie als schwarzes Schaf gelte!“
Florian lachte. „Mit dem schwarzen Schaf kann man wenigstens reden! Neben dir sind alle andern… nur Schafe.“
Auf Schloß Rosenfels verdichtete sich die Vorfreude immer mehr. Obwohl alle freundlich zu ihr waren, wurde Beatrix von Tag zu Tag einsilbiger. Gerade diese Freundlichkeit war ihr zunehmend unheimlich.
Ingrid hatte irgend etwas mit der Schreibmaschine abgetippt und die Blätter Anke gegeben, die abends im Wirtschaftsgebäude mit ihrer dunklen Stimme halblaut daraus las.
Auf der Burg blieb während des Abendessens plötzlich das Licht weg.
„Ottokar!“ flüsterte Mini Herbert. Und der Bastler Eugen erläuterte, es handle sich nur um eine Abzweigung vom Hauptnetz, man werde seinen Mund gleich wieder finden.
Alle Hände voll zu tun hatte Strehlau. Neben Proben für das Konzert, allein und mit den Minis, machte er sich ständig Notizen für die Schulchronik. Die jüngste Beobachtung stand auf einem Zettel: Alle wissen, was kommt. Auch daß es eigentlich kein Streich ist, eher ein Denkzettel im Auftrag, mit Streichcharakter…
Dann war es endlich soweit.
Leise legte das überfüllte Elektroboot am Schreckensteiner Steg an. Ohne ein Wort zu sagen, stiegen Sophie, Ingrid und Anke aus. Ihnen folgten die drei Kratzbürsten, Martina, Esther und Doris. Sie trugen ein in Decken verschnürtes, lebendes Paket, bei dem nicht einmal der Kopf rausschaute.
„Ihr seid aber sehr hart!“ flüsterte Ottokar.
„Hunde, die beißen, bellen auch“, antwortete Anke. Das Pflaster an ihrer Hand bewies, daß sie wußte, wovon sie sprach.
Die Kratzbürsten hievten ihre Last auf den Steg und trugen sie horizontal den Hang hinauf.
„Wenn wir sie selber gehen lassen, weiß sie, wo sie ist!“ erläuterte Sophie.
An den Korridorfenstern des Süd-, West- und Nordflügels standen Ritter und verfolgten den stummen Zug, der sich vom Durchgang zur steilen Treppe unter dem Kreuzgewölbe bewegte.
In der Folterkammer herrschte gespenstisch düstere Beleuchtung. Zur Sicherheit hatte Ottokar seine Geräte hinter dem Tisch auf einem der steinernen Richtersessel versteckt. Der Kasten an der Wand stand offen. Paule lehnte sich jedoch nicht heraus, er stand vielmehr in einer Ecke, als wolle er jemandem Platz machen. Mit einem Gummiband um den Unterkiefer hielt er einen Schokoladenbarren, gefüllt mit Karamel und Nüssen, wie eine Zigarre zwischen den Zähnen. Seine rostige Sense lehnte draußen am Stock mit den Daumenschrauben.
Die Kratzbürsten wickelten ihr Opfer aus der Decke, beließen jedoch den Strumpf über ihrem Gesicht und die Handfessel auf dem Rücken. Beatrix, die mit zugeklebtem Mund nicht sprechen konnte, machte einen Versuch, sich zu wehren, gab ihn jedoch wieder auf.
„Wir haben dir eine Audienz beim Burggespenst vermittelt“, begann Ingrid in liebem Säuselton, „und dir auch einen Fremdenführer besorgt. Du kennst ihn ja schon. Es ist Paule.“
Beatrix wehrte sich verzweifelt, daß die drei Mühe hatten, sie zu bändigen. Martina packte sie schließlich von hinten und hob sie neben Paule in den Kasten.
Indessen waren Ottokar, Mücke, Ingrid und Anke hinter dem steinernen Richtertisch mit der Technik beschäftigt. Dampfwalze, Florian und Stephan lehnten neben dem Kasten, bereit, den Steinblock auf der Achse anzuschieben. Während Andi das Opfer im Kasten ankettete, zog Ester ihr den Strumpf vom Wuschelkopf und Doris das Pflaster vom Mund. Ein Aufschrei — Bea und Paule standen einander auf Knochenfühlung gegenüber, der Schokoladenbarren genau in der richtigen Höhe zum Reinbeißen.
Während die Ritter anschoben, flüsterte Sophie: „Wenn man keine Angst vor Dunkelheit und Knochenkerlen hat, ist das
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