Gefluesterte Worte
hat zu Teil werden lassen, damit sie wie Engel aussehen sollten? Jedes Gesicht wird schöner durch freundliches Lächeln, aber nicht durch schadenfrohes oder hämisches Lächeln, aber durch das Lächeln, das wie der erste Frühlingsgruß alle Knospen schwellen macht, und das Gefühl gibt, daß Hoffnung und Liebe nicht erstorben sind. Das Harte für Blinde ist, daß sie nie das Lächeln sehen, das man ihnen entgegenbringt, und mit dem man sie so gern erfreuen möchte, wenn man es ihnen nur zeigen könnte. Ein Blinder, der lächelt, ist so rührend wie er es selbst nicht ahnt, ein lächelnder Kranke überhaupt reißt einem das Herz auf und manchmal ab, denn es kann ein Lächeln geben, das herzzerreißender ist als die bitterste Klage und doch so lieblich, daß es unvergessen bleibt, jedem, der es einmal sah! Lächeln ist der Freude Schwester, wenn sie es nicht manchmal selbst ist; denn die Freude lächelt! Deswegen wollendie Völker, die sich Herrscher gegeben haben, ihre Herrscher gern lächeln und immer lächeln sehen, damit sie das Gefühl haben, daß sie dafür da sind, um ihnen Freude zu machen und ihnen alles hell und leicht zu machen, was sie vorher bedrückte. Ein Lächeln sieht schon aus wie ein liebevolles Versprechen. Ein Lächeln sieht aus als könnte und als wollte man helfen. Ein Lächeln kann Finsternis zerstreuen. Wie erhaben kann ein Lächeln sein, auf einem fälschlich angeklagten oder verleumdeten Gesicht, wie ergreifend ein Lächeln, wenn die Not so groß scheint, daß der arme Mensch unter ihrer Last zusammensinken müßte, wenn sein Lächeln nicht stärker wäre, als die Not und ihr scheußlich grinsendes Totengesicht. Seele! wenn du nur immer wüßtest, was du fortlächeln kannst, wie würdest du alles dran setzen um deinem Gesichte die Freundlichkeit abzugewinnen, die so wohl tun würde! Es ist nicht so schwer als du es wähnst. Du kannst lächeln, liebe Seele, du kannst es wirklich! Es haben Menschen auf dem Scheiterhaufen gelächelt und auf der Folterbank gestrahlt! Es haben Sterbende so gelächelt, daß ihr Tod wie eine Apotheose ausgesehen hat.Du kannst es ganz gut, wenn du nur immer vor Augen hast, daß du Freude machen sollst und willst! Freude, liebe Seele! Wie hat sie Schiller besungen und was hat Beethoven für einen ewigen und unvergänglichen Jubelhymnus daraus gemacht!
Diese schwergeprüften Sänger wußten, was Freude bedeutet, sie wußten, daß ein Freudenstrahl für Ewigkeiten von Pein trösten kann, und in den Himmel erheben.
O Seele! Nur ein wenig Kraft, ein ganz klein wenig Selbstüberwindung und du wirst reich belohnt sein! Du wirst sogar erstaunen wie Feindschaft verstummt und sich nicht mehr regen kann, dort, dahin du Freude getragen hast! Dein Lächeln hat den Groll zu nichte gemacht. Statt selbst zu grollen, heiter blicken, liebevoll heiter, und siehe: der Feind weiß gar nicht mehr, wo sein Haß hingekommen ist! Er ist auf einmal wie weggeblasen.
Und daß du schenken darfst, Seele, das ist ein so erhabenes Glück, daß man sich nur wundern muß, wie du es übers Herz bringen kannst, nicht alles wegzuschenken, was du besitzest, nur um das Glück zu genießen, Freude machen zu können!
Schenken ist ja die allerherrlichste Freude, die man haben kann, und der Blick, der aus frohen Augen einem entgegenleuchtet ist doch tausendmal mehr wert als jedweder Gegenstand in unserm Besitze. Es gibt nichts, gar nichts, das eines Freudenblickes unwert wäre, oder gar zu kostbar, um einen solchen zu erwecken! Und wenn es deine einzige und ganze Habe ist! Aber Mensch! Du kannst vielleicht nur einmal in deinem Leben einen solchen Blick ernten, und du wolltest dir dieses einzige Erdenglück entgehen lassen?
Conrad Ferdinand Meyer hat eines seiner schönsten Gedichte dem Freudemachen gewidmet. Danach läßt sich garnichts mehr sagen, das erschöpfender wäre.
Man kann nie wissen wie weit eine Freude reicht, die man hat machen wollen, denn sie schlägt Wellen unberechenbar weit.
Ich hatte einer sehr teuern, jetzt eben verstorbenen Freundin, ein Märchen in Versen geschrieben und ihr dasselbe nach Paris geschickt. Sie war so unbeschreiblich glücklich darüber, daß sie in eine Kirche ging, niederkniete und betete: »Lieber Gott: mach daß ich einen andern so erfreuen darf, wie mir es beschert worden.«
Als sie aus der Kirche geben wollte, sah sie nahe der Kirchentüre einen wohlgekleideten fein aussehenden totenbleichen Mann knien. Sie war bereits an ihm vorübergegangen, kehrte aber
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