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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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noch einmal.
    »Eric, ich flehe dich an. Wenn du willst, gehe ich vor dir auf die Knie. Du brauchst mir nur zu sagen, was ich tun soll. Eric? Eric, hörst du überhaupt zu? Ich flehe dich um mein Leben an. Ich tue alles, was du willst. Alles. Aber bitte lass mich am Leben.«
    Auch darauf erhielt er keine Antwort.
    »Eric, ich beschaff dir noch mehr, ich verspreche es. Ich stehle das Geld. Ich raube einen Laden aus. Ich tue alles, nur lass mich laufen.«
    Eric ließ sich von seinem Hocker gleiten und wählte eine Schere aus. Er beugte sich über Keith und schnappte mit der Schere. Dann ergriff er ein Büschel Haare über Keiths Ohr, schnitt eine kleine Locke ab und hielt sie in einen Strahl fahlen Tageslichts. »Hoffentlich kommt Edie bald mit den Scheinwerfern.«

53
    H inter dem Schienenstrang duckte sich das alte Haus im peitschenden Regen. Ein Stück Dachrinne hing unter der Last tauender Eiszapfen vom Vordach herab. An einer Ecke schlug ein Stück Dachpappe wie ein abgeschossener Vogel hin und her. Vom Verkehr auf der Überführung war entferntes Hupen zu hören.
    McLeod erinnerte sich an die Gegend aus seiner Zeit als einfacher Streifenbeamter. »Damals musste ich den Leuten hier fast jeden Samstag die Tür eintreten. Der alte Stanley Markham – Cardinal, du erinnerst dich doch an Stanley? –, der alte Stanley ging am Wochenende auf Sauftour und schlug, wenn er nach Hause kam, alles kurz und klein. Ein kräftiger Bursche. Hat mir gleich an zwei Stellen den Arm gebrochen. Der Spaß hat ihm drei Jahre Knast eingebracht. Vor ein paar Jahren hat ihm seine Trinkerleber den Rest gegeben, und, weiß Gott, ich vermisse ihn nicht. In dem Haus stank es immer nach Katzenpisse.«
    »Und wer wohnt jetzt dort?«, fragte Cardinal. Sie beobachteten das Haus durch die Scheibenwischer, als ob es jeden Augenblick sein Fundament wie einen schäbigen Rock heben und in den eisigen Regen davonstürmen wollte.
    »Wer jetzt dort wohnt? Die süße Celeste, Stanleys getreue Witwe, eine echte Höhlenbewohnerin. Dreihundert Pfund schwer, eine Stimme wie Sandpapier und zäh wie ihr Göttergatte. Wenn ihr IQ noch niedriger wäre, müsste man die Alte regelmäßig gießen.«
    »Fraser fährt einen Ford Windstar«, sagte Delorme. »Ich sehe aber keinen Wagen in der Zufahrt.«
    »Und Fraser hat eine Geisel. Ich werde hier nicht herumsitzen und abwarten, ob er zu Hause ist oder nicht.«
    »Mal langsam. Wie wäre es mit etwas Verstärkung, ehe wir dort antanzen?«, schlug McLeod vor. »Wir sind schließlich kein Sondereinsatzkommando.« Zwar sagte er es nicht ausdrücklich, aberwas er meinte, war dennoch klar: Man hat uns hier diese Frau und so einen Freak von der Spurensicherung aufgehalst – das haben wir nun davon.
    Der braune Lieferwagen eines Paketzustelldienstes kam holpernd hinter ihnen zu stehen. Alte Bremsen quietschten laut auf.
    »Wartet hier auf mich«, sagte Cardinal. Eisige Regentropfen stachen ihm wie Nadeln ins Gesicht, als er aus dem Wagen stieg. Er zeigte dem Fahrer seinen Dienstausweis und kletterte auf der Beifahrerseite in den Lieferwagen. Der Fahrer war ein Indianer namens Clyde. Die spitze braune Kappe und die breiten Wangenknochen gaben ihm das Aussehen eines Mongolenkriegers.
    »Clyde, ich brauche Ihre Hilfe bei einem Polizeieinsatz. Ich möchte mir Ihre Uniform ausleihen.«
    Clyde blickte unverwandt nach draußen, als ob er zum Regen und den schmelzenden Schneehaufen spräche. »Wollen Sie verdeckt arbeiten?«
    »Nur für zehn Minuten. Das erspart uns den Waffengebrauch. Ich will am helllichten Tag keinen Schusswechsel in einer Wohnstraße.«
    »Wie wär’s mit einem Tausch? Sie bekommen meine Uniform, ich kriege Ihren Dienstausweis.« Er sprach immer noch mit dem Regen.
    »So geht das nicht, Clyde.«
    Clyde wandte sich jetzt grinsend Cardinal zu und zeigte ihm ein makelloses Gebiss, wie es Cardinal noch nie gesehen hatte. »Sie können meine Uniform so lange ausleihen, wie Sie wollen. Ich mag die Klamotten sowieso nicht.«
    Cardinal zog seinen Mantel aus und zwängte sich in Clydes braune Uniformjacke. Um die Schultern herum war sie etwas knapp, aber es würde schon gehen.
    »Was ist das für eine Pistole?«
    »Eine Beretta.«
    »Viel benutzt?«
    »Noch nie. Ist erst seit kurzem eingeführt. Wie sehe ich aus?«
    »Wie ein Polizist in UPS-Uniform. Nehmen Sie ein paar Pakete – so, jetzt macht man Ihnen bestimmt die Tür auf.«
    »Gute Idee, Clyde. Sie sollten Polizist werden.«
    »Ich kann Polizisten nicht

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