Gefrorene Seelen
ausstehen.« Clyde sagte, nun wieder zum Regen gewandt: »Sind Sie so weit? Ich habe Expressgut dabei.«
»Ich brauche auch den Lieferwagen. Könnten Sie irgendwo auf mich warten? Zwei Kerle in einem UPS-Lieferwagen, das sieht verdächtig aus. Ihr fahrt doch nie zu zweit.«
»Das stimmt.« Er griff nach einem Päckchen Zigaretten auf dem Armaturenbrett. »Ich warte bei Toby’s. Das ist der Laden dort an der Ecke.« Der Indianer kletterte aus dem Lieferwagen. »Der zweite Gang klemmt. Das Beste ist es, den Motor kräftig auf Touren zu bringen und dann gleich in den dritten Gang zu schalten. Wollen Sie wirklich nicht, dass ich fahre?«
»Danke, das schaffe ich schon.« Um ein Haar hätte Cardinal den Motor ausgerechnet auf den Schienen der Eisenbahnlinie abgewürgt. Oh, das wäre clever gewesen, von einem Güterzug erfasst zu werden, bevor die Verstärkung eintraf. Dann ließ er den Motor aufheulen, wie Clyde es empfohlen hatte, und schaltete gleich in den Dritten. Der Lieferwagen ruckelte, fing sich, und Cardinal fuhr durch Pfützen von Schneematsch zu dem Zivilfahrzeug auf. Delorme drehte das Fenster herunter.
»So komme ich direkt bis vor die Haustür«, sagte Cardinal. »Gebt mir genau drei Minuten, wenn sie die Tür aufgemacht hat. Sobald ich drin bin, kümmert sich McLeod um die Frau, und Sie folgen mir. Alles klar?«
»Sie sind drin. McLeod schnappt sich die Frau. Ich folge Ihnen.«
»Collingwood geht direkt ins Kellergeschoss.«
McLeod lehnte sich aus dem Fond nach vorn. »Passen Sie auf Celeste auf. Sie hat eine schlechte Meinung von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden.«
Cardinal fuhr den Lieferwagen bis auf die Höhe der Haustür. Ersuchte sich ein Paket mittlerer Größe heraus, das die Beretta in seiner Hand verdeckte. Am liebsten hätte er jetzt seine 38er gehabt. Ich hätte mehr Zeit auf dem Schießstand verbringen sollen, sagte er sich, ich bin diese Waffe nicht gewohnt. Sie lag lang und sperrig in seiner Hand.
Celeste Markham öffnete die Tür, und Cardinal überkam ein Würgen, als ihm der penetrante Geruch nach Katzenpisse in die Nase stieg. Aus den Augen der Frau, zwei schwarzen Knöpfen, die in ihrem teigigen Gesicht fast versanken, traf ihn ein Doppelstrahl aus Langeweile und Feindseligkeit. Ein schmutziger, geblümter Morgenmantel verdeckte nur unvollkommen ein paar schwere Hängebrüste. Ein feiner blonder Damenbart zierte ihre Oberlippe. »Falsche Adresse«, sagte sie missmutig. »Ich hab nichts bestellt.«
»Mrs. Markham, ich bin Kriminalbeamter und komme wegen Eric Fraser.« Treppe rechts, Wohnzimmer links. Die Kellertür musste wohl unter der Treppe sein.
»Der ist nicht zu Hause. Und Sie kommen hier nicht rein.« Sie wollte die Tür zumachen, doch Cardinal hatte schon seinen Fuß dazwischen. Als Delorme und McLeod die Eingangsstufen erreichten, grub er seinen Ellbogen in die Tiefen von Celestes Bauch und drängte sich an der Frau vorbei.
Er hörte sie McLeod beschimpfen, während er die Treppe, zwei Stufen auf einmal nehmend, hinaufstürmte. Oben kam er an einem Schlafzimmer vorbei, wo eine lärmige Quizshow im Fernseher lief. Cardinal warf einen Blick auf rund ein Dutzend Katzen, die sich um eine Zweiliterflasche Dr. Pepper und eine große Schüssel mit Trockenfutter versammelt hatten. Daneben befand sich ein vor Schmutz starrendes Badezimmer. Am Ende des Flurs war eine Tür, die neu aussah. Sie war geschlossen. »Polizei!«
Die Tür war abgesperrt. Cardinal trat dagegen, worauf Celeste Markham von unten heraufschrie: »Machen Sie bloß nichts kaputt!«
Die Tür war billig, nicht aus massivem Holz, und brach sofort.Cardinal langte durch den Spalt, öffnete das Schloss von innen und betrat, die Beretta in der Hand, das Zimmer. Delorme folgte ihm auf dem Fuß.
Nach dem Gestank und Schmutz im übrigen Haus herrschte in diesem Zimmer eine geradezu beängstigende Sauberkeit. Statt nach Katzenpisse roch es hier nach Seife. Die Bettdecke war glatt gezogen und nach Krankenhausart untergeschlagen. Das Fenster, obgleich alt, bot einen ungetrübten Blick auf die Überführung; die Scheiben waren makellos geputzt, und Cardinal hatte deswegen Celeste Markham gewiss nicht im Verdacht. Bei Menschen, die schon mal im Gefängnis gesessen hatten, hatte Cardinal schon öfter die Beobachtung gemacht, dass sie ihre Zimmer sauber hielten wie Marineinfanteristen.
Der Wandschrank enthielt vier Hemden, alle gebügelt und aufgehängt, zwei Hosen, ebenfalls gebügelt, ebenfalls aufgehängt. Ein
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