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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Corbett und die gelbe Gefahr im Pine Crest Hotel treffen. Das Pine Crest! Eine Adresse für das Damenprogramm! Die Jungs vom Perfect Circle treffen wie verabredet ein. Der Zeitpunkt des Stelldicheins naht. Die koordinierten Polizeikräfte haben das Hotel umstellt. Nein, wir waren nicht zu einer Aufführung des
Musical Ride
dort. Und auch nicht im roten Rock der Berittenen. Nein, alles strikt in Räuberzivil. Raten Sie mal, was passiert ist.«
    Delorme sagte nichts. Corporal Musgrave genoss das Lehrstück,das er demonstrierte. Es wäre unklug gewesen, ihn jetzt zu unterbrechen.
    »Nichts passierte. Kein Corbett. Kein Perfect Circle. Kein geheimes Treffen. Wieder einmal stellte sich eine koordinierte Aktion von RCMP, OPP und der Ortspolizei von Algonquin Bay als Schlag ins Wasser heraus. Diese Trotteltruppe. Bringt einfach nichts zustande.«
    Das Gesicht im Schatten, den Schürhaken in der Hand, stand der Chef neben dem Kamin. Es war selten, mit R. J. mehr als zehn Minuten zusammen zu sein, ohne dass er seine groteske Lache abließ, doch Musgraves Geschichte von den genasführten Mounties musste ihn deprimiert haben. »Es kommt noch schlimmer«, sagte er kleinlaut.
    Und es kam wirklich noch schlimmer. Wieder eine Information aus sicherer Quelle. Wieder ein Datum mit genauer Uhrzeit. Eine seltene Gelegenheit: Auch Jerry Commanda war wieder dabei und spielte Linksaußen für die OPP. Wieder eine Razzia. Wieder ein Schlag ins Wasser. »Diesmal«, fügte Musgrave hinzu, »erstattet Corbett Anzeige wegen Polizeischikane.«
    »Daran kann ich mich erinnern«, sagte Delorme. »Ich fand das ziemlich komisch.«
    Dyson funkelte sie böse an.
    Musgrave wechselte die Sitzposition. Es sah aus, als ob ein Kontinent seine Gestalt änderte. »Sie kennen jetzt die Fakten. Ich überlasse es Ihnen, daraus die Schlüsse zu ziehen. Haben Sie noch Fragen?«
    »Nur eine«, sagte Delorme. »Was verstehen Sie unter einer ›zuverlässigen Quelle‹?«
    Es war das einzige Mal, dass der Chef bei diesem nächtlichen Treffen lachte. Die anderen verzogen keine Miene.
    Nun, zwei Monate später, fütterte Delorme den Aktenvernichter in ihrem Büro in der Abteilung für Sonderermittlungen und machte sich keine großen Hoffnungen, dass ihr neuer Partner doch noch Vertrauen zu ihr fasste. Als sie einen Papierkorb vollerSchnipsel zur Verbrennungsanlage brachte, sah sie, wie Cardinal gerade seinen Mantel anzog. »Brauchen Sie mich bei einem Gang?«, fragte sie ihn.
    »Nein. Wir haben das Ergebnis aus dem Vergleich von Gebiss und zahnärztlichen Karteikarten bekommen. Der Befund ist positiv. Ich fahre jetzt los, um es Dorothy Pine zu sagen.«
    »Soll ich Sie wirklich nicht begleiten?«
    »Nein, danke. Bis später.«
    Schlimm, murmelte Delorme vor sich hin, während sie den Papierabfall in die Öffnung schüttete. Er weiß nicht einmal, dass ich ihn intern überprüfe, und will mich schon jetzt nicht als Partner. Das fängt ja gut an.

6
    U m das Chippewa-Reservat zu erreichen, fährt man die Main Street in westlicher Richtung hinunter, folgt der Eisenbahnlinie und biegt dann hinter dem Hauptgebäude von St. Joseph, einer früheren katholischen Mädchenschule, heute ein Heim für Ordensschwestern im Ruhestand, an der Kreuzung mit dem Highway 17 links ab. Kein Schild weist den Weg zum Reservat, kein Tor markiert den Eingang. Die Ojibwa haben so viel unter der Willkür des weißen Mannes gelitten, dass es keinen Sinn hätte, ihn nun aussperren zu wollen.
    Das Merkwürdigste, dachte Cardinal beim Betreten des Reservats, ist, dass man nicht weiß, dass man sich auf indianischem Boden bewegt. Eine seiner früheren Freundinnen war hier aufgewachsen, und auch damals war ihm nie bewusst gewesen, sich in einer Enklave zu befinden. Die eingeschossigen Fertighäuser, die am Straßenrand geparkten, leicht ramponierten Autos, die Köter, die sich in den Schneewehen balgten – all das konnte man auch in anderen Siedlungen, in denen Menschen aus der Unterschicht wohnten, überall in Kanada finden. Aber der rechtliche Status war ein anderer – die Polizeihoheit lang hier in den Händen der OPP –, doch das konnte man nicht sehen. Der einzige sichtbare Unterschied gegenüber dem übrigen Stadtgebiet von Algonquin Bay bestand darin, dass man hier überall auf Indianer stieß, ein Volk, dessen Angehörige sich in der Mehrheit lautlos und unsichtbar wie Gespenster durch die kanadische Gesellschaft bewegten. Oder sollte man eher sagen, parallel zu ihr?
    Ein Volk von Schatten,

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