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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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dachte Cardinal. Wir wissen nicht einmal, dass sie hier sind. Er hatte hundert Meter hinter der Abbiegung angehalten. Da es ein sonniger Tag war und die Temperatur bei jahreszeitlich üblichen zehn Grad minus lag, ging er mit Jerry Commanda den Rest des Weges zu Fuß bis zu einem weißen Fertighaus.
    Wenn Jerry nicht in seinem Parka steckte, wirkte er sehr dünn, fast zerbrechlich, doch der Eindruck täuschte, denn er war viermal Provinzmeister im Kickboxen gewesen. Man sah nie, wie es Jerry eigentlich machte, aber jede Auseinandersetzung endete stets damit, dass auch hartgesottene böse Buben auf den Brettern landeten und kläglich ihre Bereitschaft zum Einlenken bekundeten.
    Cardinal hatte nie mit Jerry als Partner gearbeitet, wohl aber McLeod, und McLeod behauptete immer, wenn sie zwei Jahrhunderte früher gelebt hätten, dann hätte er wahrscheinlich seinen Vorfahren den Rücken gekehrt und wäre an Jerrys Seite in den Kampf gegen den weißen Mann gezogen. Die Leute von der Kripo hatten eine große Party veranstaltet, als Jerry seinen Abschied von der Stadtpolizei nahm, aber Jerry war nicht gekommen, weil er kein Freund von Sentimentalität und großem Theater war. Nach seinem Wechsel zur OPP hätte er eine Stelle in jeder beliebigen Stadt oder Gemeinde, die in die Zuständigkeit der Provinzpolizei fiel, bekommen können, doch sein Wunsch war es gewesen, ausschließlich in den Reservaten zu arbeiten. Er bekam das gleiche Gehalt wie die Kollegen bei der Stadtpolizei, außer dass er von der Einkommensteuer befreit war, ein Thema, über das er sich aufreizend wortreich verbreiten konnte.
    Vergangene Nacht hatte Jerry ihn verstimmt, indem er so tat, als hätte er von Cardinals Versetzung aus dem Morddezernat nichts gewusst. Jerrys Humor war schwer fassbar. Und er hatte eine verblüffende Art, von einem Augenblick zum anderen das Thema zu wechseln, vielleicht eine Angewohnheit aus endlosen Stunden mit Verdächtigen, die er im Verhör zu Fall zu bringen hoffte. So machte er es auch jetzt, als er Cardinal nach Catherine fragte.
    Catherine gehe es so weit ganz gut, beschied ihn Cardinal in einem Ton, der deutlich machte, dass sie besser über etwas anderes sprechen sollten.
    »Was macht Kollegin Delorme?«, fragte Jerry. »Wie kommst du mit ihr aus? Die kann ja ganz schön kratzbürstig sein.«
    Cardinal sagte, er komme gut mit Delorme aus.
    »Sie hat eine tolle Figur, fand ich immer.«
    Das fand Cardinal auch, obwohl es ihn eigentlich verunsicherte. Es war kein Problem, eine attraktive Kollegin zu haben, solange sie in der Abteilung für Sonderermittlungen arbeitete – mit eigenem Büro und eigenen speziellen Fällen. Ganz anders sah es aus, wenn man mit ihr ein Team bildete.
    »Lise ist eine kompetente Frau«, sagte Jerry. »Und eine gute Ermittlerin. Dazu gehört schon Mut, den Bürgermeister so festzunageln, wie sie es getan hat. Ich hätte da gekniffen. Aber ich wusste, dass sie von Wirtschaftskriminalität genug hatte.« Er winkte einem alten Mann zu, der einen Hund über die Straße führte. »Selbstverständlich könnte sie auch gegen dich ermitteln.«
    »Danke, Jerry. Genau das wollte ich hören.«
    »Wir haben endlich eine Straßenbeleuchtung gekriegt«, sagte er und zeigte darauf. »Jetzt sehen wir überhaupt erst, wie gemütlich wir es hier haben.«
    »Neu gestrichen ist auch einiges, wie ich sehe.«
    Jerry nickte. »Mein Sommerprojekt. Jeder Jugendliche, den ich beim Trinken erwischt habe, musste ein ganzes Haus anstreichen. Habe drauf bestanden, dass es weiße Farbe war, weil das anstrengender ist. Hast du schon mal mitten im Sommer ein Haus weiß gestrichen?«
    »Nein.«
    »Das tut ganz fürchterlich weh in den Augen. Die Kinder sind stinksauer auf mich, aber das stört mich nicht.«
    Kein bisschen sauer waren sie, verstand sich. Drei dunkelhaarige Jungen mit Schlittschuhen und Eishockeyschlägern waren ihnen gefolgt, seit Jerry aus seinem Haus gekommen war. Einer von ihnen warf einen Schneeball und traf Cardinal am Arm. Der griff mit bloßen Händen in den Schnee und warf einen Ball zurück, aber weit am Ziel vorbei. Musste gut zehn Jahre her sein, dass er mit was anderem als Worten um sich geworfen hatte. Eine regelrechte Schneeballschlacht entwickelte sich, bei der Jerrymehrere Treffer auf der mageren Brust hinnahm, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Ich wette zehn zu eins, dass der Bursche da drüben zu deinem Clan gehört«, spottete Cardinal. »Ein ganz durchtriebenes Früchtchen ist das.«
    »Mein

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