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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Onkel Clark in Thunder Bay, aber das sind ein paar hundert Kilometer.«
    »Und Freunde? Vielleicht jemanden, den er aus der Schule kannte?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Aber von den Freunden, die wir kennen, war mit Sicherheit keiner aus Algonquin Bay.«
    Der Vater, der zunächst in Gedanken versunken war, meldete sich zurück. »Und der junge Mann, der vergangenen Sommer mal hier war? Der mit den ungleichen Turnschuhen?«
    »Meinst du Steve? Steve war aus Stratford, Schatz.«
    »Nein, nein. Ich spreche von jemand ganz anderem. Ich meine einen anderen Jungen.«
    »Also der mit den ungleichen Turnschuhen war Steve, und er kam aus Stratford. Du weißt, dass mein Gedächtnis besser ist als deines. Das war schon immer so.«
    »Na ja, stimmt schon. Du hattest immer das bessere Gedächtnis.«
    In Algonquin Bay hatte man Cardinal einmal zu einem Einsatzort geschickt, an dem eine Gasleitung explodiert war. Die Explosion hatte die gesamte Vorderseite eines Wohnhauses weggerissen und drei Stockwerke zum Einsturz gebracht. Eheleute waren wie arme Seelen im Fegefeuer durch Rauch und Asche getaumelt. Auf ähnliche Weise versuchten Mr. und Mrs. Curry, nachdem ihre Familie von Kummer und Schmerz zerrissen worden war, mühsam zusammenzulesen, was noch geblieben war.
    »Hatte Todd denn sonst Gründe, in Algonquin Bay Halt zu machen?«
    »Nein. Keine. Jugendliche Neugier. Vielleicht hatte er jemanden im Zug getroffen. Todd ist ein sprunghafter Junge. Todd war …« Mrs. Curry fuhr mit der Hand an die Lippen, so als hätte sie die Vergangenheitsform am liebsten wieder verschluckt. In ihrem Gesicht spiegelte sich Verlegenheit.
    Mr. Curry stellte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. »Ruhig, meine Liebe, ganz ruhig«, sagte er sanft. »Setz dich doch auf die Couch.«
    »Das geht doch nicht. Ich habe den Herrschaften noch nicht einmal Tee angeboten. Hätten Sie gern eine Tasse Tee?«
    »Nein, vielen Dank«, sagte Delorme. »Mrs. Curry, wir wissen, dass Todd mindestens einmal mit Drogen zu tun hatte. Erinnern Sie sich im Zusammenhang mit Drogen an etwas, das ihn nach Algonquin Bay geführt haben könnte? Vielleicht an einen Namen, der bei der Gerichtsverhandlung fiel?«
    »Todd war weg von dem Zeug. Er nahm keine Drogen mehr.Jetzt sage ich es richtig: war, nahm. Nur Wörter, weiter nichts.« Sie brachte ein gespenstisches Lächeln zustande. »Wollen Sie wirklich keinen Tee. Es macht keine Umstände.«
    Für Delorme war es eine neue Seite ihres Metiers, Fakten wie Scherben aus den schmerzerfüllten Herzen der Hinterbliebenen aufzulesen. Sie sah Cardinal hilfesuchend an, doch der schwieg. Vielleicht dachte er, sie müsse sich eben daran gewöhnen.
    »Ich kannte Todd ja überhaupt nicht, Mrs. Curry, aber – wie soll ich mich ausdrücken? Ich meine, die Sache ist doch …« Delorme biss sich auf die Lippen, dann sagte sie: »Wissen Sie, eine Tasse Tee wäre doch nicht schlecht. Darf ich Ihnen helfen?«
    Cardinal schlug dem Vater vor: »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir in der Zwischenzeit Todds Zimmer anschaue?«
    »Wie? Todds Zimmer?«
    Mr. Curry kratzte sich am Hinterkopf. Unter normalen Umständen hätte diese Geste komisch gewirkt, wie aus einem Cartoon. Er lachte nervös. »Entschuldigen Sie, ich bin einfach verwirrt. Sie wollen Todds Zimmer sehen, ja, selbstverständlich, das leuchtet ein. Sie müssen mehr über ihn wissen, das verstehe ich. Ja, also dann, Detective. Tun Sie Ihre Arbeit und lassen Sie sich durch mich nicht stören.«
    »Dort entlang?«
    »Ach so, ja. Zweite Tür rechts. Ich zeige es Ihnen.« Er führte Cardinal einen schmalen Flur entlang. Zwei Schlafzimmer auf der rechten, Wandschränke auf der linken Seite, das Badezimmer am Ende des Flurs; das war schon alles. Mr. Curry machte die Tür auf und bat Cardinal einzutreten. Er blieb im Türrahmen stehen, als ob sich das Zimmer seines Sohns auf einer höheren Ebene befände, die zu betreten er nicht würdig war. Seine Blicke sprangen nervös hin und her, der Tod hatte die alltäglichsten Dinge mit seinem Siegel gezeichnet – der Basketball, aus dem die Luft entwichen war, ein kaputtes Skateboard auf einem Regal – und entfaltete eine Macht, die ihn in Gegenwart dieses Eindringlings aus dem Gleichgewicht brachte.
    »Mr. Curry, Sie müssen nicht zuschauen, wenn Ihnen das schwerfällt.«
    »Es geht schon, Detective. Kümmern Sie sich nicht um mich.«
    Cardinal stand schweigend in der Mitte des Zimmers und sog die Dinge und ihre Beziehungen zueinander

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