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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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»Hier ist sein E-Mail-Postfach. Junge, Junge, der hat aber heiße Mails bekommen.«
    »Menschenskind«, entfuhr es Cardinal. Er war froh, dass er hinter seiner Kollegin stand, denn er hätte ihr jetzt nicht ins Gesicht schauen mögen.
    »Sehen Sie, das ist alles anonym«, sagte Delorme, auf den Bildschirmdeutend. »In den Newsgroups nannte er sich selbst ›Galahad‹.«
    »Das passt zu den Homo-Magazinen. Sieht so aus, als hätte er zehn verschiedene Partner gehabt.«
    »Oh, sehen Sie mal hier. Der Typ kennt seinen richtigen Namen.«
    »Todd«,
las Cardinal.
»Es tut mir leid, dass es zwischen uns nicht geklappt hat. Du scheinst ein netter Typ zu sein, und ich wünsche dir alles Gute, aber ich glaube, dass es keine gute Idee wäre, uns noch einmal zu treffen oder auch nur miteinander zu reden. Aber was den letzten Punkt angeht, bin ich offen. – Jacob.«
    »John, schauen Sie sich das Datum an.«
    »Zwanzigster Dezember. Die Nacht, als Todd Curry im Krisenzentrum auftauchte. Das könnte eine heiße Spur sein.«
    Delorme blätterte durch frühere »Briefe« desselben Jacob. Die Sex-Beschreibungen ließen an Offenheit nichts zu wünschen übrig. Am Ende stand die wiederholte Einladung, ihn doch zu besuchen und über Nacht zu bleiben.
    »Eine ausgeklügelte Strategie«, sagte Cardinal. »Über den Computer sucht man sich das passende Opfer. Dann lockt man es ins Netz und zieht es an Land. Perfekt.«
    Sie lasen weiter. Nicht in allen Mails ging es um sexuelle Phantasien. In manchen diskutierte man auch ernsthaft über das Problem, sich selbst als schwul anzunehmen. Na klar, dachte Cardinal, der Junge soll ja Vertrauen entwickeln. Nach Alkohol war Sympathie gewiss die stärkste Waffe im Arsenal des Verführers.
    »Gibt es eine Möglichkeit, den richtigen Namen und die Adresse dieses Jacob herauszubekommen?«
    »Die Adresse wohl nicht, aber den Namen schon. Ich bin ein bisschen aus der Übung. Es könnte eine Weile dauern.« Delorme hexte wieder mit der Maus, während sich Cardinal auf den Boden kniete und die Videospiele durchsah. Nach zehn Minuten tippte sie ihn auf die Schulter. »Sehen Sie mal hier.«
    Cardinal stand auf und blickte ihr über dir Schulter.
    »Hier ist der Eintrag in der Sexgruppenliste. Das ist der Bursche, der sich Jacob nennt. Und das hier ist seine E-Mail-Adresse.« Sie las vor: »›Dominant, Bodybuilding, oral, heiße E-Mails …‹ So weit, so gut. In einer der ›Diskussionen‹ erwähnt er Louis Riel. Weckt das Erinnerungen an Ihren Geschichtsunterricht?«
    »Ein kleiner Aufstand irgendwo im Westen, richtig?«
    »So klein nun wieder auch nicht. Wie dem auch sei, ich stelle mir vor, er könnte vielleicht auch an Geschichte interessiert sein. Also klicke ich eine Geschichts-Newsgroup an, okay?« Mit einem Mausklick holte Delorme ein neues Bild auf den Bildschirm. »Nächster Halt: Geschichts-Newsgroup, Teilnehmerverzeichnis. Ich suche nach Jacobs E-Mail-Adresse …« Sie tippte den Namen ein. »Und was erhalten wir? Dieselbe Adresse.«
    »Ist das unser Jacob?«
    »Das ist er. Nur dass er in dieser Newsgroup seinen richtigen Namen angibt.« Sie tippte mit dem Zeigefinger auf den Bildschirm. Cardinal las:
Jack Fehrenbach, 47: E-Mail (Französisch und Englisch). Algonquin Bay.
    »Fehrenbach ist Lehrer an der Algonquin Highschool. Können wir sicher sein, dass das sein richtiger Name ist?«, fragte Cardinal.
    »Hundertprozentig nicht. Aber wahrscheinlich ist das der Name, unter dem das Konto geführt wird.«
    »Kelly hatte ihn ein Jahr lang als Lehrer. Es könnte ja ein anderer sein, der seinen Namen benutzt. Ein Schüler, der ihm einen Streich spielen will, weil er sauer auf ihn ist.«
    »Möglich. Aber der Internetanbieter bucht die Gebühren von Fehrenbachs Konto ab, das wäre also ein ziemlich übler Streich.«
    »Das ist Spitze, wie Sie das gemacht haben, Lise. Wirklich Spitze.«
    Delorme grinste. »Gar nicht so schlecht, das gebe ich zu.«

25
    D er Brechreiz war endlich verschwunden. Tagelang hatte er wie dichter Nebel über dem Bett gehangen. Bei der leisesten Bewegung war ihm schwindelig geworden, und das Essen war ihm sauer aufgestoßen. Schon nach wenigen Bissen hatte er das Gefühl, sein Bett stürze wie ein Boot vom Wellenkamm hinab ins Wellental.
    Zu anderen Zeiten – meist gerade bevor Eric oder Edie mit dem Tablett hereinkamen – ließ die Übelkeit ein wenig nach. Dann freute er sich darauf, schon bald wieder an der frischen Luft und im Sonnenschein zu sein. Merkwürdige

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