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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Treppe. Dort starrte er lange auf Keiths Brief. Eigentlich hatte er ihn zerreißen wollen, doch die erotischen Passagen ließen ihn nicht los. Er klappte den Toilettendeckel nach unten und setzte sich, um den Brief noch einmal zu lesen. Diese Karen musste eine scharfe Nummer sein. Da wäre es doch schade, ihr nicht was Nettes zu schicken.

27
    M an hätte sich Jack Fehrenbach gut in einer Werbeanzeige für Wanderschuhe vorstellen können. Der zwei Meter große Mann mit dem Dreitagebart um Kinn und Wangen sah genau so aus, wie man sich einen Naturburschen vorstellte. Man hätte ihn fotografieren können, wie er ein Zelt aufstellt oder eine frisch gefangene Forelle auf einem Petroleumkocher brät. Seine Schultern glichen einem breiten, soliden Brett, und auch alles Übrige schien aus demselben Holz geschnitzt. Das Naturburschenimage wurde etwas abgeschwächt durch eine konservative Krawatte und eine Lesebrille, die Fehrenbach abnahm, um Cardinal und Delorme, die unangemeldet vor seiner Tür standen, näher in Augenschein zu nehmen.
    »Sie kommen hoffentlich nicht wegen dieser Strafzettel«, fauchte er Cardinal an, als dieser seinen Dienstausweis zeigte. »Ich habe denen schon fünfmal gesagt, dass ich das Bußgeld mittlerweile bezahlt habe. Ich habe den Überweisungsbeleg, ich habe eine Fotokopie geschickt. Warum kann Ihre Behörde das nicht korrekt verbuchen? Die Technik dafür gibt es doch. Hat die Polizei keine Computer? Wo ist das Problem?«
    »Mr. Fehrenbach, es geht nicht um Strafzettel wegen Falschparkens.«
    Fehrenbach durchforschte Cardinals Gesicht nach dem einen oder anderen Makel und wurde fündig. »Was sonst könnte Sie zu mir führen?«
    »Dürfen wir reinkommen?«
    Der Mann ließ sie nicht mehr als zwei Schritte in sein Zuhause. Alle drei standen nun zusammengepfercht in dem engen Flur vor einer Garderobe voller Mäntel. »Geht es um einen meiner Schüler? Ist jemand in Schwierigkeiten?«
    Cardinal holte ein Foto von Todd Curry hervor. Es war eine gute Amateuraufnahme, die Delorme der Mutter des Jungen abgeschwatzthatte. Der Junge auf dem Foto zeigte ein breites Lächeln, doch sein Blick aus dunklen Augen wirkte besorgt, so als ob die Augen dem Mund nicht trauten. »Kennen Sie diesen Jungen?«, fragte Cardinal.
    Fehrenbach betrachtete das Foto aus der Nähe. »Er sieht aus wie jemand, den ich genau einmal getroffen habe. Was möchten Sie von mir wissen?«
    »Mr. Fehrenbach, müssen wir hier im Flur stehen? Es ist ein bisschen eng hier.«
    »Also gut, kommen Sie, aber Sie müssen die Schuhe ausziehen. Ich habe gerade die Dielen gebohnert. Ich möchte nicht, dass Sie Schnee mit reinbringen.«
    Cardinal zog seine Überschuhe aus und folgte Fehrenbach ins Esszimmer. Delorme kam einen Augenblick später in Strümpfen nach. Das Zimmer war hell und geräumig, überall standen Pflanzen. Die Dielenbretter glänzten, und ein angenehmer Wachsgeruch hing in der Luft. An einer Wand zogen sich vier Regalbretter hin, die sich unter der Last der Geschichte bogen: Dicke Bände reihten sich aneinander und stapelten sich in merkwürdigen Konfigurationen. Die Bücher erdrückten fast den darunter stehenden Computer.
    »Ich will nicht um den heißen Brei herumreden, Mr. Fehrenbach.« Cardinal zog ein Blatt Papier aus der Tasche und las den Text vor, den er sich abgeschrieben hatte.
»Einszweiundsechzig? Hundertzwanzig Pfund? Gutes kommt in kleinen Päckchen, Galahad, und du scheinst mir eins von den Päckchen zu sein, die ich gerne bekomme.«
    Cardinal war von Fehrenbachs Reaktion überrascht. Statt schockartiger Überraschung zeigte sein Gesicht nur Enttäuschung. Fast Trauer.
    Cardinal las weiter.
»Ich würde sogar das Porto bezahlen, wenn du dich selbst zur Post bringen wolltest.«
    »Woher haben Sie das?« Fehrenbach nahm Cardinal das Blatt aus der Hand und betrachtete es durch die Brille. Um die Mundwinkelschien er blass geworden zu sein. Er nahm die Brille wieder ab, wobei die Augenbrauen sich über der Hakennase zusammenzogen. Im Unterricht war er sicherlich streng. »Das ist Privatkorrespondenz, und Sie als Beamter haben kein Recht, das zu lesen. Haben Sie schon mal von widerrechtlicher Durchsuchung und Beschlagnahmung gehört? Wir haben nämlich eine Verfassung in diesem Land.«
    »Galahad ist tot, Mr. Fehrenbach.«
    »Tot«, wiederholte er, als ob Cardinal ein Schüler wäre, der mit einer falschen Antwort gekommen war. »Wie ist das möglich?« Auf seiner Oberlippe standen plötzlich kleine

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