Gefuehlschaos inklusive
wieder hierher.“
„Ich denke nicht daran. Morgen ist deine Bianca hier, da will ich nicht im Weg sein.“ Glaubt er, ich lass mich auch noch bei vollem Bewusstsein demütigen? Nicht mal, wenn er mich mit dem Bajonett bedrohen würde, würde ich morgen hier aufkreuzen.
Christian sieht aus, als würde ihn diese Diskussion ziemlich viel Kraft kosten. Er reibt sich die Augen und schüttelt mit dem Kopf. Doch seine scheinbare Hilflosigkeit hält nicht an. Auf einmal bündelt er seine Energien und schießt wie ein Pfeil auf mich zu.
„Verflucht noch mal, dann bitte ich dich nicht darum, sondern ich verlange es! Wenn du dann immer noch der gleichen Meinung bist wie heute Abend, dann vermag ich deine Zweifel wohl nicht mehr auszuräumen. Aber diese eine Chance solltest du mir schon geben – uns geben!“
Ich bin überwältigt von seinem Auftritt. Wo hat er nur gelernt, sich so melodramatisch auszudrücken? War er mal beim Theater? Mir tun meine Arme weh und ich hätte nichts dagegen, wenn er sie einfach nur wieder loslassen könnte.
„Gut, wenn du so sehr darauf bestehst, dann komme ich. Aber ich weiß nicht, was das ändern wird.“
Erleichtert über meine Worte löst er seinen harten Griff und steht nun vor mir, als hätte er gerade einen Eimer Wasser über den Kopf bekommen.
„Gut, dann will ich dich nicht mehr länger aufhalten“, sagt er gequält und ich könnte schwören, einen Schweißtropfen auf seiner Stirn gesehen zu haben. Aber ich schaue nicht mehr so genau hin und entscheide mich, lieber sofort zu gehen. Auf einmal bin ich mir nämlich unsicher, ob es richtig ist, ihn morgen noch einmal aufzusuchen. Gleichzeitig bin ich mir aber im Unklaren darüber, ob es richtig ist, jetzt zu gehen. Dieser Widerspruch beunruhigt mich. Habe ich vielleicht eine Psychose?
„Dann bis morgen!“, bestätige ich mein Versprechen und verlasse mit gemischten Gefühlen das Haus. Ich gehe ein paar Schritte durch die Dunkelheit, bevor ich mir mit dem Mobiltelefon ein Taxi rufe.
Das hatte ich mir gleich gedacht − jedenfalls beinahe
Ich verbringe den folgenden Tag in der gleichen Weise, wie ich den letzten verbracht habe: mit der Erkenntnis, dass ich ohne Arbeit unzufrieden bin. Auch wenn ich immerzu in Betracht ziehe, Oliver und Stefan meine Arbeitskraft doch noch anzubieten, entscheide ich mich aber gleichzeitig dazu, ein paar Bewerbungen zu schreiben. Es kann sicher nicht schaden, sich nach allen Seiten hin abzusichern. Denn erstens möchte ich überhaupt nicht für Oliver arbeiten und zweitens könnte es sein, dass er es jetzt ablehnt. Drittens möchte ich auch nicht für jemand anderen arbeiten, sondern einzig und allein für Christian. Himmel, ich dreh mich im Kreis. Am Abend habe ich ganze zwanzig Bewerbungen fertiggestellt, die ich der Reihe nach eintüte. Ich habe vor, sie auf dem Weg zu Christian in einen Briefkasten einzuwerfen. Irgendeiner wird auf meinem Weg ja wohl stehen.
Während der Fahrt bekomme ich Beklemmungen. Ist es die Angst vor Christian und dieser Bianca oder blüht meine neu erworbene Psychose gerade auf? Ich öffne das Fenster während der Fahrt und sauge den Fahrtwind tief in mich hinein. Das tut gut. Was wird mich gleich erwarten? Weshalb hat Christian darauf bestanden, dass ich heute zu ihm komme? Ich kann einfach nicht glauben, dass ihm daran gelegen ist, mich zu verspotten. Nur darum habe ich zugestimmt. Aber was will er dann damit bezwecken, mir Bianca vorzustellen?
Ich stelle meinen Wagen in der Einfahrt ab und sehe die Bewerbungen auf dem Beifahrersitz liegen. Gut, dann muss ich sie halt auf dem Rückweg einwerfen. Vor lauter Grübelei hab ich wahrscheinlich ein Dutzend Briefkästen übersehen. Ich steige aus und gehe langsam auf die Haustür zu. Meine Knie zittern, als hätte ich jeden Augenblick einen Auftritt vor Publikum. Wo bleibt mein Applaus? Ohne den geht gar nichts. In diesem Augenblick öffnet sich die Tür und Frau „Makellos“ steht auf der Schwelle. Ich hab doch noch nicht mal geklingelt! Können wir das noch nachholen? Die Zeit brauche ich zur Vorbereitung.
„Du musst sicher Claudia sein“, spricht sie mich auf einmal an. Habe ich ihr das „Du“ etwa angeboten? „Christian hat mir schon von dir erzählt.“ Ach ja? „Ich bin Bianca.“
Sie schüttelt energisch meine Hand und zieht mich ins Haus. Sofort nimmt sie mir den Mantel ab und ich komme mir dabei ziemlich blöd vor. Soll ich ihr gleich erzählen, dass ich nackt in ihrem Bett neben ihrem Freund
Weitere Kostenlose Bücher