Gefuehlschaos inklusive

gelegen habe? Christian ist nicht zu sehen, Bianca und ich sind allein. Fürchtet er nicht, dass wir uns durch den Fleischwolf drehen? Ich bin jedenfalls kurz davor. Was für eine Hinterlist, mich mit meiner Widersacherin alleine zu lassen.
    Leckere Gerüche steigen mir in die Nase. Bianca kocht offenbar und der Tisch ist für zwei Personen gedeckt. Da wir aber drei Personen sind, kann ich davon ausgehen, dass meine Wenigkeit nicht mit eingeplant wurde. Warum bin ich dann hier?
    Bianca geht in die Küche und lässt mich allein zurück. Holt sie jetzt das Nudelholz, mit dem sie meinen Schädel zertrümmern wird? Zum ersten Mal sehe ich die Einrichtung bei vollem Bewusstsein. Alles ist hell und freundlich eingerichtet und die Möbel des offenen Essbereiches passen perfekt zur Wohnzimmereinrichtung. Ganz anders als Christians Arbeitszimmer, das aber trotz allem sehr gemütlich ist. Ich gehe zum Kamin, der noch nicht lange brennt. Die Flamme hat einige Holzscheide verschont, auf die das Feuer aber sicher bald überspringen wird. Auf dem Kaminsims sehe ich ein paar Fotos aufgereiht stehen und lasse einen neugierigen Blick über die Bilder wandern. Auf einem der Bilder erkenne ich Christian, als er noch deutlich jünger war. Neben ihm ein Mädchen in seinem Alter. Als ich genauer hinschaue, trifft mich der Schlag. Sehe ich jetzt überall Bianca? Wahrscheinlich verfolgt sie mich noch in den Schlaf.
    Sie steht auf einmal neben mir und reißt mich aus meinen Gedanken. Hat sie sich hergebeamt? Sie war doch eben noch in der Küche.
    „Da waren Christian und ich gerade mit dem Studium fertig. Das Bild entstand direkt vor der Uni. Ich habe Jura studiert und Christian Betriebswirtschaft.“
    Freut mich für euch. Und wann wollt ihr heiraten?
    Sie zeigt mit dem Finger auf ein anderes Bild, auf dem zwei kleine Kinder abgebildet sind. Das sind wohl eure gemeinsamen Gören.
    „Hier waren wir noch Kinder. Unsere Eltern wollten immer, dass wir die gleiche Kleidung tragen, aber Christian und ich haben das gehasst.“
    Warte mal! Ich muss mal kurz eins und eins zusammenzählen. Christian und Bianca sind gar kein Liebespaar! Ach, du heiliger Bimbam! Sie sind Geschwister! Ich brauch Morphium, sonst krieg ich einen Herzkasper. Beruhig dich wieder, Claudia, das hast du dir doch längst gedacht. Lass dir bloß nichts anmerken. Du bist ein echter Hornochse!!! Wenn ich hier wieder weg bin, stürze ich mich in die Spree.
    „Ihr habt auf diesem Bild eine erstaunliche Ähnlichkeit“, bemerke ich so unberührt wie möglich, als hätte ich nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass sie Geschwister sind.
    „Kein Wunder“, vernehme ich Christians Stimme aus dem Hintergrund. „Wir sind ja auch Zwillinge.“
    Erstaunt drehe ich mich um und sehe Christian auf der Treppe stehen. Das erste Mal sehe ich ihn in Jeans und muss einen Augenblick überlegen, ob er es wirklich ist. Keine Frage, das legere Outfit steht ihm ausgesprochen gut.
    „Ja, jetzt wo du’s sagst“, flüstere ich leise. Gebt mir ein Gewehr! Ich erledige es gleich an Ort und Stelle. Mein Freitod wird für alle eine Erlösung sein.   
    Bianca lacht und führt mich in die Küche.
    „Hast du Lust, mir ein wenig zu helfen?“
    „Gern“, gebe ich ehrlich zur Antwort. Alles ist mir lieber, als in Christians Nähe zu sein.
    „Du wusstest nicht, dass ich Christians Zwillingsschwester bin?“, fragt sie mich schmunzelnd und rührt dabei die Soße an. Es duftet unverschämt lecker.
    „Ehrlich gesagt wusste ich nicht mal, dass ihr überhaupt verwandt seid“, kläre ich Bianca auf.
    „Hoffentlich hast du keinen falschen Eindruck gewonnen, als du uns in seinem Büro überrascht hast.“
    Aber nein! Nicht wirklich. Die Heulerei war nur Show.
    „Vielleicht ein wenig“, schwindele ich. „Wohnst du hier in Berlin?“, erkundige ich mich schnell, um vom Thema abzulenken.
    „Nein, ich lebe in Hamburg. Eigentlich bin ich nur hier, weil ich Christian juristisch vertrete. Seine Exfrau klagt eine höhere Unterhaltszahlung ein. Aber ich denke, dass du das sicher schon weißt.“
    Aber natürlich, das habe ich wohl nur vergessen. Gibt es etwas, was ich von Christian weiß? Aber vielleicht kann ich mir jetzt so einiges zusammenreimen. Das Telefonat, bei dem Christian so aufgebracht war, könnte er mit seiner Exfrau geführt haben. Das passt. Wahrscheinlich hatte sie ihm gerade eröffnet, dass sie auf mehr Unterhalt bestehen wird, und just in diesem Augenblick platzte ich in Christians Büro. Das