Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
willst, Prinzessin. Jeder, so viel er kann. Das Angebot übersteigt die Nachfrage, die Rohstoffpreise sind im Keller. Ich bin ihr aber immer treu gewesen, verstehst du.«
Leo trank aus seinem Glas.
»Sie sagt, dass sie bei Männern kein Glück hat, weil sie den Männern Angst macht. Eine beruflich erfolgreiche, selbstständige, intelligente, gut aussehende Frau, das wollten die Männer eben nicht. Darauf sind wir nicht programmiert, sagt sie. Das löst bei uns Konkurrenzangst und Beißreflexe aus. So erfolgreich ist sie doch gar nicht. Was denkt sie denn. Für diese Musiksendung, die sie seit ein paar Monaten im Dritten Programm macht, kriegt sie jedenfalls bestimmt nicht den Adolf-Grimme-Preis. Das kann ich dir versprechen. Und es hängt nicht etwa damit zusammen, dass ich irgendwelche Strippen ziehe. Ich räche mich nicht, o nein.«
Pause. Dann wieder Leo:
»Glaubst du etwa, sie hätte diesen Moderationsjob gekriegt, wenn sie ein Mann wäre?«
Leo suchte hektisch in seiner Jackentasche. Doubek bot ihm aus einer bereits geöffneten Schachtel ein Zigarillo an. Leo nahm es. Doubek gab ihm Feuer.
» Klar, ich bin verbittert. Ich bin verletzt. Diese Drohungen, die ich ausgestoßen habe. Ohne mich wirst du unglücklich! Sie war vor mir unglücklich, sie war während unserer Zeit unglücklich, und sie wird in Zukunft unglücklich sein. Ich habe nichts damit zu tun. Ich kann ihr nicht helfen. Gott helfe ihr.«
Doubek legte ihm die Hand auf der Arm. Er sagte etwas, ohne zu wissen, was. Das hier wurde ihm allmählich peinlich, wenn Leo nicht langsam wieder runterkam, würde er sich verabschieden.
»Stimmt«, sagte Leo. »Wenn es Regeln gibt, ist das Leben einfacher. Freiheit macht es kompliziert. Du musst entscheiden. Du bist immer an allem selber schuld, verfluchte Scheiße, dein ganzes Leben ist ganz allein deine Schuld. Und wenn es gut läuft, denkst du immer, ich habe nicht das Maximum erreicht, es muss mehr drin sein. Man muss realistische Gewinnerwartungen haben, verstehst du. Man darf sich nicht verzocken. Das vernünftigste Kriterium, was Frauen betrifft, geht so. Würde die Frau dich pflegen, wenn du Krebs hast? Würde die Frau bei dir bleiben, wenn beruflich bei dir alles den Bach runtergeht? Wenn du diese beiden Fragen bejahen kannst, dann ist es, falls die anderen Parameter halbwegs stimmen, die richtige Frau.«
Doubek stellte die naheliegende Frage.
»Sie hat Nein gesagt«, antwortete Leo. »Sie hat gesagt, wenn ich kein Geld mehr hätte, wär’s okay. Krebs findet sie eklig. Das kann ich nicht machen, Bärchen. Nimm dir eine Krankenschwester. Immerhin, da gehört Schneid dazu, jemandem so etwas ehrlich ins Gesicht zu sagen. Ich war auch eher verblüfft als verärgert. Normalerweise lügt man doch. Was ist dein Frauentyp, Doubek? Oder hast du keinen?«
Diese Frage hatte Doubek sich noch nie gestellt. Was sich ergab, das ergab sich.
»Jeder hat doch irgendwelche Kriterien, Mann. Was geht. Was geht vielleicht. Was geht gar nicht. Du brauchst zwei, drei klare Kriterien. Was den Rest betrifft, musst du flexibel sein. Ich stehe auf intelligente Frauen mit langen Beinen. Das ist halt so, das brauch ich, das törnt mich an. Genau diese Kombination. Wenn eine Frau sagt, ein attraktiver Mann muss für mich soundso groß sein, oder er darf keinen Bart haben, dann ist das gesellschaftlich akzeptiert, das darf die, aber wenn ich zu so einem Frauenkränzchen sage, meine sehr geehrten Damen, die Beine sind mir beim zwischenmenschlichen Miteinander schon relativ wichtig, dann bin ich sofort ein Sexist und was noch alles. Falls es dumme Frauen sind. Zum Glück stehe ich auf intelligente.«
Doubek sagte: »Das sind halt die achtziger Jahre, Leo.«
»Ja. Das dritte und wichtigste Kriterium, sie darf nicht neurotisch sein. Sie muss normal sein, verstehst du. Wenn sie einen Knacks haben, wofür sie natürlich nicht das Geringste können, versteh mich richtig, das meine ich nicht vorwurfsvoll oder wertend, sondern durchaus mitfühlend, wenn sie also einen Knacks haben, dann kannst du sie nicht heilen. Vergiss es. Zumal sie selber sich immer für normal halten. Sie rufen dich morgens um drei an, um mit dir über irgendeine Laus zu reden, die ihnen über ihr Leberchen gelaufen ist, das finden sie normal. Finger weg von den Langzeitsingles. Diese Massen von attraktiven, einsamen Dreißig- und Vierzigjährigen, die da draußen herumrennen, die kannst du alle vergessen. Nach spätestens vierzehn Tagen weißt du nämlich,
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