Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Titel: Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
Vom Netzwerk:
warum sie allein sind, und der Ausstieg ist immer schwierig. Es ist meistens mit viel Arbeit verbunden, die wieder loszuwerden. Halt dich an die Verheirateten, Doubek. Geh an die Geschiedenen ran, an die frisch Getrennten, die wissen ungefähr, wie es geht. Ich sage dir eins. Wenn ich morgen eine Frau treffe, die nicht neurotisch ist und intelligent und so weiter, dann mache ich ihr sofort einen Heiratsantrag. Das schwöre ich. Das ist der Hauptgewinn. Ich nehme die Erste, die kommt. Ich werde sagen, hallo, ich heiße Leo Röhricht, ich bin dreiundvierzig, geschieden, zwei Kinder, Produzent, ich besitze drei Immobilien und zwei Millionen Vermögen noch dazu, ich bin bindungswillig und bindungsfähig, ich habe eine schwierige Geschichte hinter mir, aber keine Sorge, ich bin keine Beziehungsruine. Hiermit biete ich Ihnen ein schönes, sorgenfreies, unkompliziertes Leben an. Sie bekommen alles, was Sie möchten und was ich bezahlen kann, Kinder, kein Problem, und ich verlange nicht viel, das garantiere ich. Aber das wird nicht passieren. Solche Frauen gibt es nicht auf dem freien Markt. Zahlen wir?«
    Doubek hatte nichts dagegen. »Erzählen heißt verstehen«, sagte Doubek, »kennst du den Spruch? Stimmt natürlich nicht immer.«
    »Eines noch«, antwortete Röhricht. »Nicht, dass du denkst, ich will ihr die ganze Schuld in die Schuhe schieben. Ich bin kein einfacher Typ, das weiß ich. Die einfachen Typen sind aber auch meistens ein bisschen langweilig.«
    Im Weggehen sagte Röhricht: »Der letzte Sex mit einer Frau ist immer viel besser als der erste. Wenn du weißt, es ist wahrscheinlich das letzte Mal, bist du total egoistisch und nimmst keine Rücksichten, du willst es dir einfach noch mal holen. Gleichzeitig schwebt ein endzeitliches Pathos über der Szene, eine melancholische Zärtlichkeit, den Frauen gefällt das auch. Beim Sex ist ein gewisses Quantum an Egoismus eigentlich gut. Diese Siebziger-Jahre-Scheiße, komm, lass uns gemeinsam bis zum Morgengrauen den G-Punkt suchen, das kannst du alles komplett vergessen. Die Zeiten haben sich geändert, mein Freund.«

8
     
    Sobald N. gegangen war, widmete sich Vollmann immer der Spurenbeseitigung. Er spülte die beiden Gläser, untersuchte sorgfältig das Bett auf verräterische Flecken, die er gegebenenfalls mit einer dünnen Seifenlauge behandelte, anschließend saugte er das Bettlaken, wegen der Haare. Selbstverständlich schaute er auch unter das Bett. Unter dem Bett zu saugen, hielt er für keine gute Idee. Es frisch zu beziehen, wäre ebenfalls zu verdächtig gewesen. Danach nahm er sich die Dusche vor. Das Handtuch, das N. benutzt hatte, ließ er trocknen, legte es zusammen und tat es zurück in den Stapel der frischen Handtücher, ziemlich weit unten. Ungefähr an dieser Stelle hatte es seiner Erinnerung nach auch vorher gelegen.
    Am Kühlschrank kontrollierte er, anhand einer vorbereiteten Liste, ob etwas fehlte, das ersetzt werden musste. Oft nahm sich N. im Laufe des Abends einen von den Joghurts, die Monika im Sechserpack anschaffte und die in ihrem gemeinsamen Haushalt nur von ihr gegessen wurden. Vollmann kaufte dann einen neuen Zwölferpack und entfernte genau die Zahl an Packungen, die vorher gefehlt hatte. Zuletzt ging er einmal mit prüfendem Blick durch die gesamte Wohnung. N. ließ oft etwas liegen. Er hatte sie im Verdacht, dass sie es absichtlich tat, um eine Art Duftmarke oder eine Reviermarkierung zu hinterlassen. Er war sich darüber im Klaren, dass dieser Verdacht sehr wahrscheinlich ungerecht war. Das war eine männliche Sichtweise, vermutlich.
    Schwierig war es mit den kleinen Geschenken, die N. ihm machte – ein buntes Glas, in das man Teelichter stellen konnte, ein hellblauer Teddybär, ein Bratenthermometer, etliche Flaschen Wein, Kassetten mit Musik, die sie für ihn aufgenommen hatte, furchtbares Zeug, wie Vollmann fand, ein selbstgestrickter Schal. Und die Briefe, natürlich. Vollmann wickelte diese Dinge, bis auf den Wein, den er zu seinen Vorräten in der Kammer stellte, in Plastiktüten und brachte sie in den Keller, den er sich als einen Bastelraum eingerichtet hatte, obwohl er so gut wie nie bastelte und nicht einmal das Wort ausstehen konnte. Der Bastelraum war eine Idee von Monika gewesen. In einer Ecke des Bastelraums befand sich eine Holzkiste, die einmal zwölf Flaschen Mouton Rothschild enthalten hatte. In diese Kiste tat er die in Tüten gewickelten Geschenke und die Briefe hinein, anschließend bedeckte er sie mit

Weitere Kostenlose Bücher