Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
Partnerschaft ist die schwierigste Anschaffung überhaupt. Das definiert dich total, als Person, in den Augen der anderen. Du kannst aus Ironie oder Understatement ein billiges Schrottauto fahren. Bei der Partnerwahl geht das nicht. Eine gut aussehende, intelligente Frau auf Partnersuche ist also in der gleichen Position wie jemand, der 20 Millionen hat und sich dafür ein Haus kaufen will. Im Grunde kann sie, da sind wir uns sicher einig, fast jeden Typen haben. Aber das macht es nicht einfacher, sondern schwieriger. Perfekt istniemand. Du hast also 20 Millionen und sollst dich mit was Unperfektem abfinden?«
Doubek versuchte, etwas zu sagen. Aber wenn Leo so in Fahrt war wie heute, bekam man bei ihm keinen Fuß in die Tür.
»Ich weiß, was du sagen willst, klar, die Frau selber ist auch nicht perfekt. Aber das sieht sie eben nicht. Das ist ihr nicht klar. Ich behaupte, wenn eine Frau einem Mann das Gefühl vermittelt, du bist es, dich will ich, die Suche ist beendet, dann bleibt er sehr wahrscheinlich auch bei ihr, sofern die übrigen Rahmenbedingungen halbwegs stimmen. So einen ständigen Konkurrenzstress will man im Privatleben nicht haben. Der Job ist hart genug. Und genau das war ein Riesenproblem zwischen N. und mir. Sie hat zum Beispiel Typen gedatet, wir reden hier nicht über berufliche Verabredungen oder alte Freunde, wobei ich die klassische Frage, ob Freundschaft zwischen Männern und Frauen überhaupt möglich ist, mal ausklammere. Sie hat sich mit Männern verabredet, weil sie die interessant gefunden hat. Sie wollte die einfach kennenlernen. Und wir wissen doch beide, wofür die Formulierung ›einen Mann interessant finden‹ steht. Ob sie mit den anderen Männern was hatte, weiß ich nicht. Das ist auch nicht die Frage. Wenn sie neben mir noch einen zweiten Geliebten braucht, meinetwegen, soll sie, solange sie es diskret durchzieht und mir, wenn wir zusammen sind, nicht das Gefühl gibt, dass ich nur die zweite Garnitur bin. Aber eine Frau, die mit mir zusammen ist, richtig zusammen, muss sich nicht zweimal in der Woche aus sogenanntem Interesse mit anderen Männern treffen. Wer bin ich denn? Ich bin nicht der Angebertyp, aber ich verdiene 500 000 im Jahr, Doubek, mindestens, das muss man sich mal vorstellen. Wenn sie mich nicht interessant genug findet, soll sie sehen, wo sie bleibt und werihr ein Kind macht.«
So war Leo noch nie in Fahrt gewesen, seit Doubek ihn kannte. Er versuchte wieder, etwas zu sagen, aber Leo wischte seine Wortmeldung mit einer Handbewegung beiseite.
»Moment, ich bin noch nicht fertig, behalt das im Kopf, was du gerade erzählen wolltest. Das ist eben alles total widersprüchlich. Ich habe ihr in unserem Trennungsgespräch geraten, Geliebte zu werden. Werd die Dauergeliebte von einem reichen, verheirateten Sack, der möglichst weit weg wohnt, Prinzessin. Fick alle vierzehn Tage mit ihm in einem schönen Hotel mit Pool und Sauna oder in seinem Wochenendhaus. Er kümmert sich übrigens ganz vorbildlich um die Verhütung, denn blöd ist er nicht. Triff in der restlichen Zeit alle interessanten Männer, die dir einfallen, so lange, bis dir die interessanten Männer zum Hals raushängen. Und warte darauf, dass er keinen mehr hochkriegt oder dass du ihm langweilig wirst oder auf seinen Tod, je nachdem, was früher eintrifft. Du kannst die Lebensphase, in der man bei den Eltern frisch ausgezogen ist, in einer Zweizimmerwohnung auf dem Boden vorm Fernseher liegt, von einer Familie träumt und wahnsinnig interessante Männer trifft, ausdehnen bis zum achtzigsten Geburtstag, Prinzessin. Sozial auffällig wirst du nicht auf diese Weise, denn du hast dabei ja immer deinen Beruf, so, wie Humphrey Bogart und Ingrid Bergman in Casablanca eben immer Paris haben. Aber ich verrate dir ein böses kleines Geheimnis, egal, wie lange du wartest, dein Papi wird niemals vorbeikommen.«
Es war ziemlich heiß. Leo setzte seine Sonnenbrille ab und krempelte zerstreut die Ärmel hoch. Er sprach immer lauter.
»Das ist ein Tropenleben, das auf dich wartet, habe ich ihr gesagt. Immer in etwa die gleiche Temperatur, keine Jahreszeiten. Nur Regenzeit und Trockenzeit. Und glaub nicht, dass dein alter Sack, dessen Geliebte du bald sein wirst, oder vielleicht ist er sogar jung und schön, jedenfalls ist er eindrucksvoll und bringt deine Eitelkeit zum Vibrieren, glaub nicht, dass er weniger als drei andere Geliebte hat, denn bei uns hier oben herrscht Vielweiberei. Auch wenn du’s nicht merken
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