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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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eine Schlägerei riskieren. Soll ich aufmachen?«

    Ich nickte wortlos.
    Toby lehnte sich gegen die Tür. »Blackburn. Sie kommt jetzt rein.« Er steckte die Haarklammer ins Schloss und drehte. Dann warf er mir einen mitfühlenden Blick zu. »Viel Glück.«
    Damit stieß er die Tür auf.
    Das Bad roch nach alten Socken und Schimmel. Er saß in der Badewanne und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Das dunkle Haar fiel ihm ins Gesicht.
    Er drehte sich zur Wand. »Mach wieder zu. Ich will nicht, dass die mich anglotzen.«
    Ich schloss die Tür hinter mir und senkte die Lider, um das Brennen in meinen Augen loszuwerden. Aber ich sah ihn trotzdem vor mir: die breite Gestalt, die attraktiven Züge, die blauen Augen. Erleichterung überkam mich. Gott sei Dank. Ich ließ mich gegen den Türrahmen sinken.
    Er war es nicht. Natürlich nicht. Wie hatte ich das jemals glauben können? Ich schämte mich dafür, dass ich auch nur die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte.
    »Komm, ich bring dich nach Hause«, sagte ich.
    Er hob abwehrend die Hand. »Ich kann da nicht rausgehen.«
    »Warum nicht?« Ich hockte mich neben die Wanne. »Was ist los?«
    »Versprich, dass du nichts erzählst.«
    »Steckst du in Schwierigkeiten?«
    »Du darfst es ihm nicht sagen.«
    »Wem?«, fragte ich, obwohl ich es schon wusste.
    »Meinem Bruder. Der dreht sonst durch. Versprich mir, dass du Jesse nichts sagst.«
    Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »PJ?«

    Für einen Moment erwiderte er meinen Blick, dann schaute er wieder weg. Mit ei nem Schlag war mei ne ganze Erleichterung verflogen, als hätte jemand einen Stöpsel gezogen. Den Ausdruck in sei nen Augen kannte ich von früher, von jenem furchtbaren Tag vor vielen Jahren. Er ließ sich rücklings in die Wanne sinken.
    »Was ist los?«, fragte ich. »Raus mit der Sprache.«
    »Oh, verdammt!« Er hämmerte den Kopf gegen die Fliesen. »Sie ist vom Balkon gefallen.«
    Wieder und wieder schlug er den Kopf gegen die Kacheln.
    »Über das Geländer. Nach unten ins Meer.«
     
    Ich packte ihn am Arm. »Hast du den Notruf alarmiert?«
    Er griff nach den Hähnen, aber ich zerrte ihn aus der Wanne und stieß ihn in den Gang hinaus. Dann zückte ich mein Handy.
    »Hast du es irgendwem gesagt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Ich drängte ihn ins Wohnzimmer, quetschte mich durch die Menge und bugsierte ihn in die Küche. Ein halbes Dutzend Mädchen stand quasselnd um einen Mixer, durch den gerade eine Ladung Margaritas lief. PJ zog den Kopf ein wie ein geprügelter Hund. Ich öffnete die Schiebetür zum Balkon und schubste ihn nach drau ßen. Der Wind peitschte mir den Regen mit schmerzhafter Härte ins Gesicht. Ich wählte die Notrufnummer.
    Der Balkon erstreckte sich über die gesamte Breite des Hauses. Fünfzehn Meter unter uns donnerte die Brandung an die Steilküste. Es war Flut, und die Kraft der Wellen war enorm. Das Licht aus der Küche reichte nicht weit, aber
weiter hinten am Balkon blähten sich Vorhänge im Wind: eine offene Zimmertür. Die Notrufzentrale meldete sich.
    »Ich brauche einen Rettungswagen«, sagte ich. »In ei nem Haus am Del Playa Drive hat es einen Unfall gegeben.«
    PJ starrte mich verstockt an. »Nein. Du hast versprochen, dass du es keinem erzählst!«
    Bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte er mir das Telefon entrissen und taumelte in Richtung Küche. Dabei drückte er wild auf den Tasten herum.
    »Du hast es versprochen«, wiederholte er.
    »Verdammt noch mal.« Ich packte seine Hand und versuchte, seine Finger zu lösen, aber er presste sich das Telefon an die Rippen. »Wir müssen einen Rettungstrupp rufen. Und zwar sofort.«
    Er atmete schwer. »Nein, müssen wir nicht.«
    »Doch. Jetzt gleich.«
    Das vom Regen durchnässte Haar klebte ihm strähnig am Kopf. »Wir brauchen keinen Rettungstrupp. Ich glaube … Ich meine … Ich glaube, ich hab mich geirrt. Es ist gar nichts passiert.«
    Das hatte mir noch gefehlt. »Was soll das heißen?«
    Er starrte in den Sturm hinaus. »Wahrscheinlich hab ich mir das Ganze nur eingebildet.«
    »Du rückst jetzt sofort mit der Wahrheit raus. Ist ein Mädchen vom Balkon gefallen oder nicht?«
    »Ich weiß nicht.«
    Ich presste beide Hände gegen seine Brust und stieß ihn zurück in die Küche, wo ich mir sei ne Augen im Licht ansehen konnte. Er leistete keinen Widerstand, sondern starrte nur zitternd auf den Ozean hinaus. Ich drängte ihn gegen die Küchentheke.

    »He, was ist denn hier los?«, fragten die Margarita-Mädchen.
    Ich

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