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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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Theater-Outfit nicht unähnlich war: grobe Kniehosen, Leinenhemd, darüber einen Gehrock mit langen Schößen, außerdem eine Mütze auf dem Kopf, die an ein Barett oder eine Baskenmütze erinnerte. Das Auffälligste an dem Mann aber war seine Hautfarbe, sie war auffallend dunkel wie bei einem Südländer und beinahe bläulich schimmernd. Als wäre er in ein Tintenfass gefallen und hätte die Farbe nicht wieder völlig abbekommen.
    Henry hatte den Kerl noch nie gesehen. Daran hätte er sich bestimmt erinnert, Alkoholkater hin oder her. Er starrte den Blauen an und fragte: »Kennen wir uns?«
    »So schlimm, Henry?«, lachte der andere. »Hat Mutters Wacholderfluch dir den Garaus gemacht?«
    »Wer? Was?«, stammelte Henry. »Wovon redest du?«
    Der Mann lachte abermals und deutete auf ein hölzernes Schild, das nur wenige Zoll über Henrys Kopf baumelte und auf dem zu lesen war: »Mother Blake’s Gin Shop«. Bebildert war das Schild mit einem Tonkrug und einem Zweig mit Beeren, von denen man annehmen konnte, dass es sich um Wacholder handelte.
    »Wo, zum Henker, bin ich?«, entfuhr es Henry.
    »Na, Rosemary Lane«, antwortete der andere.
    »Das Theater?«
    »Theater? Hier gibt’s kein Theater! Ich meine die Straße.« Jetzt wies der Blaue nach Südwesten, wo hinter den Häusern am Ende der Gasse vier weiße Zwiebeltürme in den strahlend blauen Himmel ragten. »Da vorne ist der Tower, wie du siehst, und gleich rechts geht die Mansell Street ab.«
    Henry sah die wohlbekannten Türme des Towers, und es handelte sich nicht etwa um aufgemalte Kulissen oder fadenscheinige Attrappen. Aber diese winzige Straße auf der rechten Seite konnte niemals die Mansell Street sein. Denn das war eine vierspurige Hauptverkehrsstraße, die direkt unter den Gleisen eines Bahndamms hindurchführte. Doch von den Gleisen, die zum nahe gelegenen Bahnhof Fenchurch Street führten, war ebenfalls weit und breit nichts zu sehen. Wieder schaute Henry zu den Türmen des White Towers, dann zur Sonne, dann wieder zum Tower. Wenn es jetzt Mittag war und die Sonne ungefähr im Süden stand, dann befand sich Henry genau an der Stelle, an der eigentlich die Royal Mint Street sein sollte. Doch das hier war angeblich die Rosemary Lane. So hatte die Straße geheißen, bevor die Königliche Münzanstalt vor zweihundert Jahren aus dem Tower hierher umgesiedelt war. Das hatte ihm zumindest der Besitzer des Rosemary Lane Theatre erzählt. Daher stammte nämlich der Name des Theaters und des Restaurants darüber.
    »Was wird denn hier gedreht?«, wollte Henry wissen. »Fielding oder Thackeray oder was?«
    »Wer? Wieso gedreht? Ich versteh nicht.«
    »Welcher Film? Fernsehen oder Kino? Oder ist das hier so was wie ein Freiluft-Theater?«
    »Was hast du nur ständig mit deinem verdammten Theater? Ich sag doch, hier gibt’s kein Theater. Keine Ahnung, was meine Mutter dir letzte Nacht eingeschenkt hat, aber es ist dir anscheinend nicht bekommen. Du solltest die Finger vom Fusel lassen, wenn du ihn nicht verträgst.«
    Henry sah auf das Schild und fragte: »Mutter Blake ist deine Mutter?«
    »Ay, Sir!« Der Blaue verneigte sich grinsend und lüpfte die Mütze. Darunter kam nicht nur ein kahl geschorener Schädel, sondern auch eine breite Narbe zum Vorschein, die sich hell auf der dunklen Haut abzeichnete und kerzengerade vom linken Ohr direkt bis zum Scheitel des Kopfes führte.
    »Wer bist du?«, fragte Henry.
    »Eigentlich müsste ich jetzt beleidigt sein, aber da du offensichtlich keine Ahnung hast, was letzte Nacht passiert ist, will ich mich gern noch mal vorstellen: Gestatten, Joseph Blake, aber meine Freunde nennen mich Blueskin.«
    »Blueskin Blake?« Woher der Spitzname rührte, war offensichtlich, aber wieso kam er Henry so bekannt vor? Irgendwo, irgendwann hatte er diesen Namen schon einmal gehört oder gelesen. Dann stutzte Henry plötzlich und fragte: »Was meinst du mit: ›Was letzte Nacht passiert ist‹?«
    »Na, was wohl!« Blueskin griente verschmitzt und klopfte Henry erneut auf die Schulter. »Hast dich gut gehalten fürs erste Mal. Und keine Bange, auch wenn du dich nicht erinnern kannst, werd ich dich nicht um deinen Anteil betuppen. Hast ihn dir redlich verdient. Aber jetzt müssen wir los! Oder hast du es dir anders überlegt? Heute Nacht schienst du Feuer und Flamme zu sein.«
    Als wäre das ihr Stichwort gewesen, kam in diesem Augenblick eine junge Frau aus der angeblichen Mansell Street, wartete an der Kreuzung und winkte ihnen

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