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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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und abrupte Wandel der Architektur zu bedeuten hatte. Bei dem Feuer war die gesamte Innenstadt niedergebrannt, weil beinahe sämtliche Häuser aus Fachwerk und Holz bestanden hatten. Nur die Bezirke auf der Südseite der Themse und die nordöstliche City rund ums Aldgate waren den Flammen entkommen, der gesamte Rest war dem Erdboden gleichgemacht worden. Und beim Wiederaufbau hatte man darauf geachtet, nur Häuser aus Stein zu errichten, die einem zukünftigen Feuer besser standhalten würden.
    »He, Henry!«, wurde er von Blueskin aus seinen Gedanken gerissen.
    »Was?«
    »Es stimmt doch, dass Jack dich zu uns geschickt hat, oder?«
    »Wer hat denn das behauptet?«, antwortete Henry ausweichend.
    »Du!« Blueskin packte ihn plötzlich brutal am Kragen und schüttelte ihn derart heftig, dass sein Kopf regelrecht zu explodieren schien. »Du hast gesagt, dass du ein Freund von Jack bist und er dich geschickt hat. Du hast Jack als deinen Bürgen genannt.«
    »Na, dann wird’s wohl so sein«, murmelte Henry überrascht und riss sich los.
    »Wehe, wenn nicht!«, knurrte Blueskin. Von seiner vorherigen, so demonstrativ zur Schau gestellten Heiterkeit war nichts übrig geblieben, stattdessen funkelte er Henry böse an und setzte hinzu: »Wenn du einer von Wilds Spitzeln bist, dann gnade dir Gott!«
    »Hab doch meine Feuertaufe bestanden, oder etwa nicht?«
    »Ich mach dich kalt, wenn du mit dem Mistkerl Wild unter einer Decke steckst«, stieß Blueskin wütend hervor, und sein finsterer Gesichtsausdruck unterstrich die Worte. Plötzlich jedoch grinste er wieder, boxte Henry freundschaftlich gegen den Oberarm, als wäre nichts gewesen, und deutete über Henrys Schulter nach vorn. »Schau! Da sind die anderen.«
    Vor der Kirche von St. Mary-le-Bow an der Cheapside, deren Turm mit dem kreisrunden Säulengang zumindest genauso aussah, wie Henry ihn in Erinnerung hatte, schlossen sich zwei junge Kerle und eine Frau der kleinen Prozession an. Die Frau war etwa Mitte zwanzig, sah – gerade im Vergleich zur aufgetakelten Poll – recht unscheinbar aus und wurde Henry als Jenny Diver vorgestellt.
    »Lass dich von ihrem schlichten Äußeren nicht täuschen, Henry«, meinte Blueskin lachend. »Sie trägt den Namen Diver nicht von ungefähr. Jenny ist die trickreichste Taschendiebin in der ganzen City. Pass also auf deinen Geldbeutel auf, mein Lieber!«
    »Halt’s Maul, Blueskin!«, sagte Jenny mit starkem irischen Akzent, schüttelte ihre rotbraunen Locken und bedachte Henry mit einem skeptischen Blick. »Geht den da gar nichts an.«
    Auch Jennys Name war Henry bekannt, denn eines der Straßenmädchen aus der Bettleroper hieß Jenny Diver. Allerdings hatte Henry bislang nicht gewusst, dass es auch für sie ein reales Vorbild gegeben hatte.
    Bei den beiden Männern an ihrer Seite handelte es sich um eineiige Zwillinge namens George und Godfrey, die sehr knabenhaft aussahen, auffallend knarzige Stimmen hatten, als hätten sie gerade erst den Stimmbruch hinter sich gebracht, und nur daran zu unterscheiden waren, dass der eine einen Schlapphut und der andere eine Mütze aus Biberfell auf dem Kopf trug. Godfrey, der Bursche mit dem Schlapphut, schlug Henry kameradschaftlich auf die Schulter und meinte: »Hast dich nicht gut gehalten seit letzter Nacht, Alter! Du siehst aus, als wärst du unter ’ne Kutsche geraten.«
    »So fühl ich mich auch«, antwortete Henry und bemerkte, dass der junge Mann ein großes »T« auf seinem rechten Handrücken eingebrannt hatte. Vermutlich die Abkürzung für »Thief«. Kaum anzunehmen, dass sich der Bursche das hässlich verwachsene Brandzeichen aus modischen Gründen selbst zugefügt hatte. Unwillkürlich schaute Henry auf die rechte Hand des Zwillingsbruders, und tatsächlich, auch dort prangte das eingebrannte Schandmal. Familienehre!
    Henry lachte bitter, obwohl ihm eher nach Weinen zumute war, und während sie die Cheapside entlanggingen und im Südwesten die imposante Kuppel der Kathedrale von St. Paul über den Hausdächern auftauchte, zerbrach er sich den Kopf darüber, was er nun tun und wie er aus diesem gottverdammten Schlamassel wieder herauskommen sollte. Sein erster Gedanke war, sich in eine der vielen winzigen und verwinkelten Seitengassen zu verdrücken und schleunigst das Weite zu suchen. Auf keinen Fall wollte er daran mitwirken, einen notorischen Verbrecher aus dem Newgate-Gefängnis zu befreien. Entweder würden sie dabei ertappt und selbst eingesperrt werden, oder aber der

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