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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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abtöten. Das heißt, heute werden wir Ihren
Zahn öffnen und ein Medikament auf den Nerv geben.«

    Das hörte sich furchtbar an.

    Â»Fangen wir mit der Betäubung an«, sagte der Zahnarzt.
Ich wehrte mich nicht.

    Â 
    Trotz Betäubung war es keine schmerzlose Behandlung.
Weil ich ein Wohnzimmer mit gestrichenen Wänden, aber ohne Decke, Boden und
ohne Sofa hatte, legte ich mich danach in mein Bett. Und für eine halbe Stunde
schlief ich tatsächlich ein. Da Nina und ich uns freigenommen hatten, konnte
ich mich voll und ganz der Erforschung meiner Schmerzen widmen.

    Aber es waren keine Schmerzen mehr da. Als die Betäubung
sich erst aus meiner Nase, dann aus meiner Zunge und schließlich aus meinem
Zahnfleisch zurückzog, spürte ich nur noch ein Drücken und Ziehen. Das war eine
Wohltat. Ich fühlte mich einigermaßen fit, um aufzustehen und etwas zu essen.

    Mit einem Brötchen in der Hand ging ich durchs Wohnzimmer
und betrachtete die Wände. Ich war zufrieden mit meiner Arbeit und würde bald mit
der Decke beginnen können. Eigentlich gab es keinen Grund zu warten. Also holte
ich einige Pakete mit Paneelen für die Decke und stapelte sie im Wohnzimmer
auf. Dann griff ich meine Säge und die Leiter.

    Ich spürte immer noch keine Schmerzen, sondern nur das
dumpfe Ziehen, das sicherlich dem Todeskampf des Nervs zuzuschreiben war. Die
Täuschung war perfekt gewesen. Ich war immer noch verblüfft, wie ich mich in
die Irre hatte führen lassen. Und dabei hätte ich schwören können, den Ursprung
des Schmerzes zu kennen.

    Ich dachte wieder an das Spiel und stellte die Leiter zur
Seite, die ich gerade hatte besteigen wollen. War es denkbar, dass wir uns mit Elias
Grams auch hatten täuschen lassen? Natürlich deutete alles auf ihn als Täter
hin, aber was, wenn er es allem Anschein zum Trotz doch nicht gewesen war?

    Plötzlich tauchte Marcel Blumberg in meinen Gedanken auf.
Er saß in seinem Archiv, blätterte in alten E-Mails, um sich für neue Intrigen
inspirieren zu lassen. Ich dachte an seine Überzeugung, der beste Spieler zu
sein, und an sein Verständnis des Spiels. Kein Glück, nur Können. Ich dachte an
die Partie vor einem Jahr, als es Blumberg nicht gelungen war, an die Spitze
des Highscores aufzusteigen. Und ich fragte mich, welchem Spieler er sich damals
eigentlich hatte geschlagen geben müssen. Wer war der Anführer der Intrige
gegen Marcel Blumberg gewesen?

    Die Paneele waren aufgestapelt, die Säge lag bereit, aber
anstatt mit der Arbeit zu beginnen, ging ich in die Küche, wo ich noch die
Ausdrucke fand, die wir von Michael Brodbeck bekommen hatten. Ich kochte mir
einen Tee und setzte mich. In meinen Gedanken formte sich eine Idee, die so abwegig
war, dass sie fast schon wieder wahrscheinlich wurde.

    Â 
    Eine halbe Stunde später legte ich die Ausdrucke wieder
auf den Tisch. Ich war fassungslos. Aber auch wenn ich die Papiere noch einmal
durchschaute, würde sich an ihrem Inhalt nichts ändern.

    Ich griff nach dem Telefon und wählte Ninas Nummer. Als
sie sich meldete, sagte ich: »Hast du Lust, mit mir nach Duisburg zu fahren?«

    Â»Fährt man nicht eigentlich nach Paris?«

    Â»Ich möchte noch einmal mit Marcel Blumberg sprechen.«

    Â»Warum denn das?«

    Â»Ich habe nach unvermuteten Querverbindungen unter den
Spielern gesucht.«

    Â»Das klingt sehr geheimnisvoll.«

    Â»Ich erkläre es dir unterwegs.«

    Â»Wie wäre es, wenn ich dich abhole?«

    Â»In Ordnung.«

    Eine Viertelstunde später waren wir auf dem Weg nach Duisburg-Rheinhausen
und ich hatte Nina von meinen Überlegungen erzählt.

    Sie sagte: »Ich kenne dich schon eine Weile, aber das ist
die verrückteste Idee, die du jemals hattest.«

    Â»Danke.« Sie hatte natürlich recht und ich war mir alles
andere als sicher, ob an meiner Theorie etwas dran war, aber ein nettes kleines
Gespräch konnte ja bekanntlich niemals schaden. Zumindest hoffte ich das.

    Â»Wie um alles in der Welt bist du nur darauf gekommen?«,
fragte sie ungläubig.

    Â»Ich war beim Zahnarzt.«

    Sie schaute mich wieder mit diesem skeptischen Blick an,
den sie bestimmt auch kleinen Kindern und Verrückten schenkte.

    Wir parkten direkt vor dem Haus, in dem Blumberg wohnte.
An der Haustür trafen wir eine Mutter mit ihren drei Sprösslingen, die sich
außerdem mit einem Kinderwagen

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