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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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war tatsächlich ausgestellt.
    Weil es in Strömen regnete, ging ich zu Fuß zum Kindergarten, mit drei Regenschirmen bewaffnet.
    »Heute holen wir wieder Emily von der Schule ab«, sagte ich zu Julius. »Und wenn du dich beeilst und deine Buddelhose anziehst, darfst du in jede Pfütze springen, die wir unterwegs finden.«
    Das war ein etwas voreiliges Versprechen, denn der Weg bis zur Schule war vom Regengott reichlich mit Pfützen bedacht worden. Obwohl Julius nur einmal in jede Pfütze springen durfte, kamen wir erst am Schulhof an, als es schon geklingelt hatte.
    Nirgendwo konnte ich Emilys schwarzen Haarschopf erblicken, und ihr Klassenzimmer war bereits leer.
    Mit Julius an der Hand irrte ich über den Flur. »Ich suche Emily Alsleben«, sagte ich zu einer Frau, die keinen Mantel trug und daher eine Lehrerin sein konnte.
    »Oh, da hat es gerade Ärger gegeben«, sagte die Frau. »Kommen Sie, hier entlang, die anderen sind alle vorne im Erste-Hilfe-Raum.«
    Wieder schoss mir der Schreck in die Glieder. »Ist sie verletzt?«
    »Nein, ich glaube nicht«, sagte die Frau und schob mich durch eine Tür in ein kleines Zimmer voller Leute. Lauter Frauen und Kinder.
    Und da war Emily, in einer Ecke an die Wand gelehnt, den lila Mantel auf dem Boden neben sich. Neben ihr stand ein kleines Mädchen mit langen dicken Zöpfen und weinte.
    Auf einer Liege saß ein Junge und weinte auch. Zwei weitere Jungen sahen so aus, als würden sie gleich anfangen zu weinen.
    Da Emily nicht weinte, sondern eine recht gelassene Miene aufgesetzt hatte, atmete ich erleichtert auf.
    »Mir ist heiß!«, sagte Julius.
    »Wer sind Sie denn?«, fragte mich eine der Frauen. Da sie einen Mantel trug, hielt ich sie für eine Mutter.
    »Ich bin Emilys ...«, begann ich. Emilys - was? Emilys Möchtegern-Stiefmutter? Emilys schlimmster Albtraum? »... Abholerin«, ergänzte ich lahm. »Was ist denn passiert?«
    »Genau werden wir das erst wissen, wenn Justin beim Arzt war«, sagte eine andere Frau. Justin war offenbar der Junge auf der Liege. Ich erkannte ihn wieder: Es war der rothaarige Stoppelkopf, der Emily neulich »Schlitzauge« genannt hatte. Zwischen seinen Beinen lag ein mit Gel gefüllter Kühlakku. »Gut, dass ich rechtzeitig gekommen bin, sonst hätten sie wer weiß was mit ihm angestellt
    »Wer?«, fragte ich.
    »Na, Kamikaze-Jenny und ihre Freundin«, sagte die Frau. »Sie hätten sehen sollen, wie gezielt sie ihre Kung-Fu-Tritte angebracht hat. Und Justin stand mit dem Rücken gegen die Wand und konnte sich gar nicht wehren.« Sie zitterte vor Wut, das konnte ich sehen.
    Aber leider verstand ich kein Wort.
    »Wer hat wen getreten?«, fragte ich. »Und warum?«
    »Das müssen wir jetzt klären«, sagte eine grauhaarige Dame mit Brille. »Am besten gehen wir nach nebenan ins Konferenzzimmer und warten auf die restlichen betroffenen Eltern.«
    Im Gänsemarsch trotteten alle hinter ihr her. Justin wurde von seiner Mutter gestützt. Ich nahm Emily den Mantel ab.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich sie. »Hat dich auch jemand getreten?«
    »Nein«, sagte Emily. »Wo ist Luisa?«
    »Krank«, sagte ich.
    Das kleine Mädchen mit den Zöpfen war heulend in ihrer Ecke stehen geblieben.
    »Ist das Kamikaze-Jenny?«, fragte ich Emily.
    »Das ist Valentina«, sagte Emily.
    »Ich will meine Mama haben«, sagte Valentina.
    »Mir ist heiß«, sagte Julius wieder. Im Konferenzzimmer pellte ich ihn aus seinen Regensachen und der Buddelhose, bevor er einen Hitzekoller bekam.
    »Was machen wir denn hier?«, wollte er wissen.
    Ich sagte, dass ich das auch nicht so genau wisse, hob ihn auf die Fensterbank und empfahl ihm, die Angelegenheit von dort so unauffällig wie möglich zu verfolgen.
    Dann versuchte ich mir selber einen Uberblick über die Lage zu verschaffen. Anwesend waren: Die grauaarige Dame, wahrscheinlich die Rektorin, Frau Berghaus, Emilys Klassenlehrerin und eine weitere Lehrerin, die sicher die Klassenlehrerin von Justin und den anderen beiden Jungs war. Außerdem Justins Mutter, die immer noch vor Wut zitterte, Valentina, Emily, Justin, die beiden anderen Jungs, Julius auf der Fensterbank und ich. Während wir an dem Konferenztisch Platz nahmen, kamen noch zwei Frauen zur Tür hereingestürzt, das mussten die Mütter der anderen beiden Jungs sein, die, wenn man den besorgtenAusrufen Glauben schenken konnte, »Timo« und »kleiner Butzemann« hießen.
    Als alle saßen und Justin ein frisches Coolpack zwischen seine Beine gelegt bekommen

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