Gegensätze ziehen sich aus
hatte, wandte sich die Rektorin an Frau Berghaus: »Haben wir außer Justin noch andere Verletzte zu beklagen?«
Frau Berghaus schüttelte den Kopf. »Keine körperlichen Verletzungen, jedenfalls.«
»Mein Justin ist ja auch kein Schläger«, sagte Justins Mutter. »Ich wünschte, er wär's! Da bringt man seinem Jungen bei, dass er Mädchen niemals schlagen darf, und dann passiert so was! Ich habe genau gesehen, wie dieses Biest ihm zwischen die Beine getreten hat. Und zwar gezielt und geplant!« Dabei zeigte sie auf Emily, und Justin schluchzte laut auf.
Ich merkte, dass ich wieder mal guckte wie Sponge Bob. Emilys Gesicht hingegen war völlig regungslos. Ich sah von ihr zu Justin und wieder zurück. Der Junge war mindestens doppelt so groß und fünfmal so schwer wie Emily.
»Ihr habt das doch auch gesehen, nicht wahr?«, wandte sich Justins Mutter an Timo und kleiner Butzemann. Die beiden nickten.
»Emily wird Justin nicht einfach grundlos getreten haben«, sagte Frau Berghaus.
»Sind denn alle Erziehungsberechtigten anwesend?«, erkundigte sich die Rektorin.
»Bei Emily Aisleben konnten wir weder den Vater noch die Großmutter telefonisch erreichen«, sagte die andere Lehrerin. »Im Büro des Vaters wurde uns gesagt, die Lebensgefährtin holt das Kind heute ab.«
»Die bin ich«, sagte ich, und meine Stimme klang ein wenig krächzend vor lauter Aufregung.
Die Rektorin musterte mich über ihren Brillenrand. Würde sie mich jetzt rausschicken, weil ich nicht erziehungsberechtigt war?
»Frau Ulganowa haben wir auf ihrer Arbeitsstelle erreicht, sie wird hierher gefahren«, fuhr die Lehrerin fort. »Sie müsste jede Minute hier sein.«
»Na schön«, sagte die Rektorin und nahm die drei Jungs ins Visier. »So. Wir haben hier also zwei Erstklässlerinnen gegen drei Jungen aus der dritten Klasse. Was hattet ihr fünf miteinander zu schaffen?«
»Nichts«, sagte Timo.
»Gar nichts«, sagte Kleiner Butzemann.
»Überhaupt gar nichts«, sagte Justin.
Timo war aber immerhin rot geworden.
»Da hören Sie's!«, sagte Justins Mutter.
Die Rektorin drehte den Kopf zu Emily und Valentina. »Was haben die Jungs gemacht?«
»Sie haben uns geärgert«, sagte Valentina. »Und geschubst«, sagte Emily.
»Und da musstet ihr sofort zutreten!«, rief Justins Mutter. »Wer hat euch denn beigebracht, wo es kleinen Jungen am meisten weh tut? Hä?«
Erneut ging die Tür auf, und zwei weitere Frauen betraten den Raum. Eine davon war Sonja Soundso aus der Mütter-Society, eine attraktive, braungebrannte Brünette mit viel Goldschmuck. Die andere, eine zierliche junge Frau mit kurzen, dunklen Haaren, musste Valentinas Mutter sein. Sie setzte sich auf den freien Platz neben ihre Tochter und redete in einer fremden Sprache auf sie ein.
»Und wer sind Sie, bitteschön?«, wollte die Rektorin von Sonja wissen.
»Ich bin die Mutter von Sophie aus der 1b«, sagte Sonja. »Ichbin außerdem Da ... - Frau Ulga-Dings Arbeitgeberin und habe sie hierher gefahren. Mein Mann ist zu Hause bei den Kindern, aber ich habe einen Säugling, deshalb wäre ich froh und dankbar, wenn wir das hier so kurz wie möglich halten könnten und ich Frau Ulga-dings und Valentina schnell wieder mit zurücknehmen kann. Was ist denn passiert? Hat Valentina etwas angestellt?«
»Hören Sie, Frau - ähm«, sagte die Rektorin. »Da Ihr Kind ja nicht in die Sache verwickelt ist, würde ich vorschlagen, Sie fahren wieder nach Hause zu Ihrem Säugling. Frau Ulganowa wird dann nachkommen, wenn die Besprechung beendet ist.«
»Aber ...«, sagte Sonja. »Dascha kann sehr schlecht Deutsch, sie kann Sie ja kaum verstehen. Ich will sie ungern allein hierlassen. Das geht ja auch alles von ihrer Arbeitszeit ab und ...«
»Sprechen Sie denn Russisch?«, fiel ihr die Rektorin ins Wort.
»Nein, das nicht, aber ich bin mittlerweile an ihr Radebrechen ganz gut gewöhnt und ...«
»Wir werden schon ohne Sie zurechtkommen«, sagte die Rektorin. »Auf Wiedersehen. Oder do swidanja, wie man in Russland sagt. «
Da blieb Sonja nichts anderes übrig, als den Raum zu verlassen und die Tür hinter sich zu schließen.
Frau Ulganowa redete immer noch auf Valentina ein. Valentina weinte wieder.
»Valentina hat gar nichts getan«, sagte Emily. »Sie haben uns geschubst und geärgert. Aber Valentina hat nichts getan.«
»Das musste sie ja auch nicht«, sagte Justins Mutter. »Du hast dich ja auf den armen Justin gestürzt wie eine Furie. Gegen Kung-Fu hat er natürlich keine
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