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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Vögel aufgemalt hatte, welche zur vollen Stunde zwitscherten.
    »Mehr nicht?«, fragte ich.
    »Nö«, sagte Julius.
    Seine Schwester war da leider weniger bescheiden, sie wünschte sich eine Digitalkamera, jede Menge genau definierte Klamotten, CDs, DVDs und Bücher. Ich erinnerte mich mit Wehmut an Zeiten, an denen ihr sehnlichster Wunsch ein »Hut mit drei roten Bällen« drauf gewesen war. Diese Wünsche waren zwar nicht immer leicht zu erfüllen gewesen, aber irgendwie mehr vom Geist der Weihnacht erfüllt als Digitalkameras.
    Lorenz machte mir wieder mal einen Strich durch die Rechnung: Vom ersten Papa-Wochenende im Dezember brachte Julius besagte Vogeluhr mit, und ich zankte mich mit Lorenz, weil er a) wegen Zerstörung jeglicher Vorfreude in der Weihnachtszeit keine Herzenswünsche mehr erfüllen sollte und ich b) die verdammte Vogeluhr schon im Internet bestellt hatte.
    »Dann habt ihr eben zwei«, sagte Lorenz ungerührt. Aber zwei von den Uhren brauchte man sicher nicht, weil man das Vogelgezwitscher zur vollen Stunde auch schon von einer Uhr im ganzen Haus hören konnte. Die Katzen wurden jedes Mal ganz unruhig, verließen ihren Schlafplatz und suchten nach dem Vogel.
    Julius war sehr glücklich über sein Geschenk und starrte unentwegt auf die Zeiger. Nur meine Hoffnung, dass er nun endlich lernen würde, die Uhr zu lesen, erfüllte sich nicht. »Jetzt ist es halb Amsel«, sagte er zum Beispiel. »Und wenn Nelly um Viertel nach blauer Vogel kommt, gibt es Abendessen.«
    Mein Mammografietermin war an einem Dienstag um Punkt Rotkehlchen. Ich hatte bisher immer gedacht, die Untersuchung sei völlig schmerzfrei, aber wie sollte eine Untersuchung schmerzfrei sein, bei der die Brüste so platt wie eine Scheibe Fleischwurst gedrückt werden?
    »Wieso quetschen Sie auch die andere Brust?«, rief ich empört aus. »Der Knoten ist nur in dieser!«
    Aber das war der Röntgenassistentin egal. Der Gerechtigkeit halber plättete sie auch die andere Brust. Ich fürchtete, sie würden nie wieder zu ihrer alten Form zurückfinden.
    »Und?«, fragte ich, als ich mich wieder angezogen hatte. »Ist es was Schlimmes?«
    »Das können wir Ihnen noch nicht sagen«, sagte die Sprechstundenhilfe. »Rufen Sie morgen zwischen halb vier und vier an, dann geben wir Ihnen den Befund telefonisch durch.«
    Ich war bitter enttäuscht, dass ich schon wieder warten musste, noch mehr, als ich am nächsten Nachmittag anrief und der Arzt sagte: »Also, eine Zyste und ein Milchgangpapillon können wir wohl eher ausschließen. Ich tippe auf ein Fibroadenom, aber sicher können wir da erst nach der Biopsie sein.«
    »Was?«, rief ich. »Ich bin immer noch nicht fertig? Warum denn jetzt noch eine Biopsie?« Das klang, als ob es auch wehtäte.
    Der Arzt erklärte, das sei die übliche Vorgehensweise, und empfahl mir die gynäkologische Abteilung des Elisabeth-Krankenhauses.
    Ich war völlig niedergeschmettert. Die Mammografie hätte ichmir glatt sparen können. Merke: Beim nächsten Mal direkt Termin für Biopsie machen.
    Jetzt sah es so aus, als würde es erst im neuen Jahr weitergehen. Aber die Sprechstundenhilfe im Elisabeth-Krankenhaus hörte meinen weinerlichen Unterton und hatte Erbarmen.
    »Ich schiebe Sie am 17. dazwischen«, sagte sie. »Dann wissen Sie auf jeden Fall noch vor Weihnachten Bescheid.«
    Ich heulte vor Dankbarkeit. »Sie sind so nett«, schniefte ich. »Vielen, vielen Dank. Mögen Sie Gummistiefel?«
    * * *
    An dem letzten Donnerstag vor Emilys Abflug nach London holte ich sie und Valentina wie immer von der Schule ab.
    »Das ist ungerecht, dass du zwei Wochen früher Ferien hast als wir«, sagte Valentina.
    »Das sind keine Ferien«, sagte Emily. »Das ist harte Arbeit. Alle sprechen da nur Englisch mit einem, selbst meine Mommy.«
    »Cool«, sagte Valentina. »Ich werde dich aber vermissen, wenn ich in der Klasse allein mit den ganzen Doofen bin.«
    »Ich dachte, weil ihr euch ja nun so lange nicht mehr seht, könnten wir nachher einen Kuchen backen«, sagte ich.
    »Oh, ich liebe Kuchen backen«, rief Valentina und klatschte begeistert in die Hände.
    »Ich auch«, rief Emily und warf mir einen verstohlenden Blick zu. Jaaaa, Schätzelchen, ich erinnere mich noch gut an das letzte Mal, als wir zusammen gebacken haben. Macht aber nichts. Man kann seine Meinung ja auch mal ändern.
    Valentina strahlte mich an. »Du bist unheimlich nett, Constanze. Ich finde es auch toll, dass meine Mama beim Nette-Mütter-Club mitmachen

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