Gegensätze ziehen sich aus
Schuhmodellen orientierten, und sie versah sie mit kleinen Verzierungen aus dem Leder, das wir als Materialproben aus der Fabrik zugeschickt bekommen hatten. Sogar Mimi, die Gittis Handarbeiten grundsätzlich kritisch gegenüberstand, musste zugeben, dass sie sehr hübsch waren.
»Wenn wir weiter so vorwärtskommen, können wir eigentlich schon im Januar eröffnen«, sagte sie. Aber das meinte sie natürlich nicht ernst. Es gab noch unglaublich viel zu tun.
Unsere geschäftlichen Beziehungen zu Taiwan verliefen äußerst harmonisch. Die ersten Gummistiefellieferungen trafen überpünktlich ein, und extra für uns hatte der Neffe von Herrn Wu ein Brillenetui in Form eines Schnürstiefels entworfen. Wir bestellten gleich hundertfünfzig Stück davon.
»Man muss ja nicht unbedingt Brillen hineintun«, sagte Trudi. »Es eignet sich auch wunderbar als Zigarrenetui, Kosmetiktäschchen oder Schmuckkästchen. Nächstes Jahr zur Weihnachtszeit wird es der Renner.«
In der Fabrik vom Onkel der Freundin von Herrn Wus Enkeltochter wurden rote Papiertüten gedruckt, mit unserem goldenen Logo , mit einer Krone über dem O von Pomps, in die, wenn man genau hinschaute, all unsere Anfangsbuchstaben hineingeschnörkelt worden waren. MCAT. Als das erste Muster der Tüte eintraf, heulten wir beinahe vor Freude, weil wir uns sicher waren, dass die Leute nun schon allein wegen unserer Tüten bei uns einkaufen würden. Unser Haupttrumpf blieben aber die Schuhe von Santini, dem Mann mit den Bernsteinaugen, und Anfang Dezember flogen Mimi und Trudi noch einmal nach Mailand, um die Schuhe dort persönlich in Empfang zu nehmen und hochoffiziell »auszuführen«.
* * *
Ich hatte nicht weniger Freude an all diesen Entwicklungen als meine Freundinnen, aber je näher mein Mammografie-Termin rückte, desto geistesabwesender wurde ich.
Außerdem ärgerte es mich, dass Anton immer noch keine konkreten Pläne für Weihnachten machte, sondern sich bis zum Schluss alles offen halten wollte. Er hatte für Emily eine Beurlaubung vom Schulunterricht beantragt, damit sie schon zwei Wochen vor Ferienbeginn zu ihrer Mutter nach London fliegen konnte.
»Vielleicht fliegen sie alle zusammen nach Thailand. Vielleicht feiern sie auch Weihnachten bei Janes Eltern in Schottland«, sagte Anton. »Vielleicht fahren sie auch nach Davos. Vielleichtmuss Jane auch arbeiten, dann schickt sie die Kinder mit dem Flieger zu mir.«
»Aber es ist Weihnachten - da arbeitet doch nicht mal eine Investment-Dings«, sagte ich.
»Hast du eine Ahnung«, sagte Anton. »Jane hat sogar in unserer Hochzeitsnacht gearbeitet.«
»Und was hast du gemacht?«
»Ich habe mich besoffen, soweit ich mich erinnere«, sagte Anton. »Ich werde übrigens in der Woche vor Weihnachten vermutlich in Barcelona sein. Einer unserer Klienten lässt sich von seiner spanischen Frau scheiden, und dabei geht es um Immobilien im Wert von zweiundvierzig Millionen Euro.«
»Na toll«, sagte ich. »Weißt du, im Augenblick macht mich das Wort vermutlich ganz aggressiv.«
»Ich werde vermutlich die ganze Woche dort unten verbringen. Du hättest nicht zufällig Lust, mitzukommen?«
»Vermutlich hätte ich Lust«, sagte ich. »Aber ich habe zwei Kinder, eins davon schulpflichtig.«
»Meinst du nicht, Wischnewski könnte sie mal für eine Woche nehmen?«
»Nein, kann er nicht«, sagte ich bestimmt.
»Du kannst es dir ja überlegen«, sagte Anton. »Eine Woche ohne Kinder, Barcelona, nur du und ich ...«
Ja, klar, wenn er sich nicht um Emily kümmern musste, wollte er sich auch nicht mit meinen Kindern abgeben. Ich wurde schon wieder zornig. Anton war schuld, dass bei mir keine rechte Adventsstimmung aufkommen wollte. Anton und der Knoten.
Gitti Hempel verkaufte mir einen selbstgebundenen Adventskranz mit roten Kerzen und Elchen aus Filz, zum Selbermachen fehlte mir in diesem Jahr die Motivation. Die Elche waren toll,man konnte sie auch ohne Adventskranz kaufen, und so bestand meine diesjährige Adventsdeko überwiegend aus roten und weißen Elchen, ein bisschen wahllos in der Innenarchitektur verteilt. Immerhin brauchte ich mir nicht den Kopf über Weihnachtsgeschenke für die Verwandtschaft auf Pellworm zu zerbrechen, ich kaufte Brillenetuis und Gummistiefel im großen Stil. Julius diktierte mir wie immer seinen Wunschzettel, und wie immer musste ich »Schnee« ganz zuoberst und dreimal unterstrichen schreiben. Außerdem wünschte er sich noch eine Rückenkratzbürste und eine Uhr, die statt Zahlen
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