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Gegenwinde

Gegenwinde

Titel: Gegenwinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Adam
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Menschenverstand zu besitzen. Er selbst habe im übrigen nie etwas anderes gedacht und verstehe nicht, dass wir, die Kinder und ich, uns so aufregten, sie sei schließlich frei, und man brauche nur ein oder zwei Tage unser Leben zu teilen, um zu verstehen, dass sie beschlossen hatte, einmal Luft zu schöpfen. Darauf stopfte er sich eine riesige Handvoll Puffmais in den Mund, lehnte sich auf dem Sofa zurück und vertiefte sich gähnend wieder in die Verwicklungen seiner Krimiserie. Ich komplimentierte ihn noch am selben Abend hinaus und verfluchte mich, weil ich mich an ihn gewandt hatte. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich hasste ihn, selbst Sarah hielt ihn für einen egoistischen Idioten. Am nächsten Tag ging ich zum Arzt und brauchte ihn von nichts zu überzeugen. Meine geröteten Augen, meine nervöse Anspannung und die Tränen, die ich nicht zurückhalten konnte, als ich ihm meinen Fall schilderte, alles sprach für mich. Er schrieb mich krank. Es war das erste einer langen Reihe von Attesten. Das letzte führte schlicht zu einer Vertragsauflösung.
    Alex stand auf, und wir machten uns auf den Rückweg. Er sprach über die Kinder, er fand, es ging ihnen besser, sie waren ausgeglichener, der Umzug schien ihnen gut zu tun. Ich war mir nicht so sicher, aber es beruhigte mich, das zu hören, einen Augenblick spürte ich so etwas wie eine Atempause. Freudenschreie kamen aus der Bar unten, ich weiß nicht, was sie da trieben, ob sie das Fußballspiel anschauten oder etwas anderes, von einem Abend auf den andern änderte sich die Kundschaft komplett, unter der Woche waren es die Männer vom Hafen, die zum Fußballschauen und literweise Guinnesstrinken kamen, am Wochenende fielen die Studenten ein, und die Musik plärrte, an manchen Abenden hörte man sie bis zur Mole, ein wirrer Brei von Tönen, es hing vom Wind ab. Die Hand auf der Türklinke, stieß Alex einen langen Seufzer aus, offensichtlich hatte er mir etwas zu sagen, zögerte aber anzufangen. Schließlich stöhnte er:
    »Nadine trifft sich mit einem Kerl. Ich habe ihr noch nicht gesagt, dass ich es weiß.«
    Er öffnete die Tür, und ich legte meine Hand auf seinen Arm.
    »Kennst du ihn?«
    »Ja. Aber ich sehe nicht so recht, was das ändert.«
    »Und … was willst du tun?«
    »Was soll ich denn tun? Ich werde warten, dass es vorbeigeht. Und sie lieben, so gut ich irgend kann, wie ich es immer getan hab …«
    Als ich im Wohnzimmer Nadine mit den schlafenden Kindern sah, dachte ich, dass wir gut zusammenpassten, er und ich, und ich sagte mir, der Inspektor hätte sich schiefgelacht, wenn er uns hier gesehen hätte. Nadine lächelte mit aller Zärtlichkeit, zu der sie fähig war, das war nicht wenig. Sie strich der Kleinen übers Haar und murmelte: Wie süß sie sind, und ihre Augen wurden wieder feucht.
    »Das kommt von der Zigarette«, sagte sie.
    Ich habe sie lieber nicht darauf hingewiesen, dass niemand im Raum geraucht hatte.

Wir kamen heim, es war nach Mitternacht. Ich trug die Kinder nacheinander vom Auto in ihre Zimmer. Ich zog sie aus, streifte ihnen einen Pyjama über, küsste sie auf die Stirn. Manchmal war ihr Schlaf für mich schmerzlich, ein langer Winter legte sich dann auf die Nacht, eine dicke Hülle aus Schweigen und Einsamkeit. Unten im Wohnzimmer qualmte ich zwei Zigaretten und hörte dazu Will Oldham.
    Did you know how much I love you.
    Is a hope that somehow you
    Can save me from this darkness.
    Ich hatte keine Lust zu schlafen, es hatte keinen Sinn, mich ins Bett zu legen, ich ging nach draußen und machte die Lampe im Schuppen an. Das gab nicht viel Licht, aber es reichte, um eine Bauanleitung zu entziffern. Im Garten pfiff wieder der Wind, es war zwar nicht wie auf Ouessant, aber es ließ einem trotzdem die Knochen gefrieren. Ich begann, das Gerüst zusammenzubauen, ich musste mich richtig anstrengen, um die Schrauben ins Holz zu drehen, meine Arme waren wie Watte. Ich hatte ja schon seit Monaten nicht mehr trainiert. In der Garage warteten der Sandsack und die roten Handschuhe auf mich, ich brauchte ihn nur noch am Gebälk zu befestigen, ich hatte lange gezögert, ihn in der Garage des alten Hauses vom Haken zu nehmen, das Ding weckte meine Sehnsucht, war zu erinnerungsbeladen, Sarah steckte den Kopf durch die Tür, eine Kippe zwischen den Lippen, sah ein Weilchen zu, wie ich mich abrackerte, und machte auf dem Absatz kehrt, ließ mich ihrem Rücken und ihrem Hintern nachschauen, es war Sommer, sie trug einen leichten Rock und

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