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Gegenwinde

Gegenwinde

Titel: Gegenwinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Adam
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Sie rein, kommen Sie rein, bleiben Sie nicht im Regen stehen«, sagte ich und schüttelte ihm die Hand.
    Er lächelte vorsichtig und trat sich die Schuhe auf der Fußmatte ab. Während er seinen durchnässten Mantel auszog, wanderte sein Blick durch das Wohnzimmer, über die wenigen Möbel und Manon mitten auf dem Teppich.
    »Meine Tochter … Setzen Sie sich, wohin Sie wollen. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Mögen Sie einen Whisky?«
    Er ließ sich auf das abgewetzte Leder des indonesischen Sessels fallen. Die Kleine machte sich aus dem Staub, von der Küche aus hörte ich, wie sie drei Stufen auf einmal nahm und sich oben ins Zimmer ihres Bruders flüchtete. Ich kehrte zum Inspektor zurück, dem gestrandeten alten Walross, er rieb sich die Augen und atmete schwer, ich reichte ihm ein Glas Jack Daniels, das er langsam entgegennahm, seine ganze Person schien darauf angelegt zu sein, den Zustand der Erschöpfung zu illustrieren. Ich betrachtete sein dickliches Gesicht, seine glänzende, großporige Haut, noch nie hatte ich so schwarze, so breite, so tiefe Augenringe gesehen. Seine teigige Beschaffenheit machte einem unweigerlich Lust, ihn zu kneten und alles wieder in die richtige Lage zu bringen. Ich setzte mich ihm gegenüber, er schien es nicht besonders eilig zu haben, zur Sache zu kommen, er begnügte sich damit, seine Lippen in den Whisky zu tauchen und daran zu nippen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich, auf mein T-Shirt und meine Sporthose weisend. »Ich bin nicht vorzeigbar. Ich habe trainiert.«
    »Welcher Sport?«
    »Boxen. Mit dem Sack.«
    Er setzte sein Glas ab, ein Funke Leben kam in sein ausdrucksloses, müdes Gesicht. Seine Züge strafften sich plötzlich, und sein Gesicht nahm Form an.
    »Aha, Boxen«, meinte er. »Sehr gut … Ich habe eine Tochter, die boxt. Gehen Sie manchmal zu Wettkämpfen?«
    »Früher. Aber das ist lange her …«
    »Kommen Sie mit, in den kommenden Wochen gibt es schöne Sachen zu sehen.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ich hatte nicht mehr als drei Sätze mit ihm gewechselt, und da stellte er sich vor, er würde mich zu einer Boxgala mitnehmen. Ich schaute auf die Uhr. Es war bald Zeit, die Kinder in die Badewanne zu setzen und das Essen zu machen, draußen prasselte der Regen noch stärker und bedeckte alles mit einer dünnen Eisschicht, das versprach aufregende Fahrstunden, schon am Vormittag war Élise in einer Kurve geschlittert, ich hatte den Wagen im letzten Moment wieder in die Gewalt bekommen, und sie war plötzlich vollkommen entmutigt gewesen. Wir hatten die Stunde in ihrem Wohnzimmer zu Ende gebracht, im Warmen, sie zeigte mir die Bilder ihres Mannes, große blaue oder grüne Farbflächen mit weißen Rissen, er hatte erst spät damit angefangen, aber als sie sich vor vierzig Jahren kennengelernt hatten, hatte er genau davon geträumt, damals schien er so entschlossen, nie hätte sie gedacht, dass er sich eine Existenz als Geschäftsmann aufbauen würde, ein Leben, das er widerwillig führte und das er bereute, so sah sie die Dinge, als er wieder zum Pinsel griff, hatte sie ihn ermuntert, auch wenn er sich von morgens bis abends in seinem Atelier einschloss, auch wenn sie von den Farb- und Terpentingerüchen entsetzliche Migräne bekam, auch wenn, seitdem die Jüngste aus dem Haus war, die Langeweile alles zudeckte und die Zeit sich bis zu den Grenzen des Erträglichen ausdehnte.
    Es herrschte eine drückende Stille im Raum, José Combe schlürfte seinen Whisky und schaute sich um, ab und zu seufzte er, man hätte glauben können, er hätte nicht die geringste Ahnung, was er hier eigentlich wollte. Schließlich fragte ich ihn nach dem Grund für seinen Besuch, aber ich tat es nur der Form halber, ich wusste, was er mir sagen würde, und es ließ nicht auf sich warten, der Verdacht war sofort auf den Vater gefallen, einen etwas zwielichtigen Burschen, der mit der Justiz zu tun gehabt hatte, Drogengeschichten Handel mit Antiquitäten Einbrüche, er hatte sechs Monate hinter Gittern verbracht, und als er herauskam, hatte man ihm das Besuchsrecht entzogen, seitdem machte er Umzüge, das heißt bis vor kurzem, das letzte Mal, als sein Chef etwas von ihm gehört hatte, das war hier gewesen, und seither Fehlanzeige, er war mit diesem Haus fertig gewesen und dann einfach weg verschwunden abgetaucht … Man hatte gesehen, wie ich am Schultor mit ihm sprach, dann nichts mehr. Ich reagierte so gut ich konnte, spielte den Unerschrockenen, leugnete nichts, bestätigte

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