Gegenwinde
Meinung, Wahlen Tibet Ölpreis, ich nickte zum Zeichen der Zustimmung.
Die löchrige Straße führte zum Campingplatz, ein entgegenkommender Geländewagen bespritzte uns mit schlammigem Wasser, einen Augenblick lang waren wir blind. Auf beiden Seiten der Landenge zog sich das Meer zurück, durch die dunkelviolett blühenden Büsche am Straßenrand sah es aus wie ein Moor, links war der Hafen trockengefallen, und die Schiffe lagen auf dem Kiel. Auf Hunderten von Metern war der Sand entblößt, eine Miniaturwüste, an der Mündung strömte es gewaltig. Wir parkten neben dem Wohnwagen. Unter uns öffnete sich das Meer zu zwei Rundungen, und trotz des grauen Himmels funkelte der Glimmer zwischen den Muscheln. Der Strand war vollkommen leer, selbst die Vögel versteckten sich. Der Wind pfiff um die Campingwagen. Wir gingen in Bréhels Wagen hinein, er war dunkel und eiskalt. Bréhel rieb zwei Streichhölzer, zündete Kerzen an.
»Heute Nacht ist die Stromversorgung zusammengebrochen. Ich kann Ihnen nicht mal einen Kaffee anbieten.«
Mit diesen Worten holte er eine Flasche Wodka und füllte zwei Gläser, wir tranken, um uns zu wärmen, jeder unter seiner Decke, im Geflacker der Kerzen, es war wie mitten in der Nacht. Der Wind schlug gegen die Wände, man konnte sich vorstellen, wie der Wagen sich selbständig machte und bis zu den großen Bäumen rollte.
»Ich weiß. Am Anfang hat mich das auch beeindruckt. Es bläst gar nicht so, aber hier drin fühlt man sich wie in einer Pappschachtel. Und erst bei Regen. Oder Hagel, das macht einen wahnsinnigen Krach. Es ist wie Weltuntergang.
»Wird der Strom wieder angestellt?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht. Der Verwalter ist im Urlaub. Auf den Malediven. Nicht blöd, der Typ.«
»Wann kommt er zurück?«
»In vierzehn Tagen, glaube ich.«
»Können Sie nicht selber jemanden kommen lassen?«
»Hm, nee. Es ist verboten, hier das Jahr über zu wohnen, wissen Sie. Mit dem Betreiber geht das klar, aber es ist illegal.«
»Haben Sie nichts anderes, wo Sie hingehen können?«
Er schüttelte den Kopf, sein pausbäckiges Gesicht verzog sich zu einer schmerzlichen Grimasse, oder es waren die Kerzen, alles war irgendwie irreal und verzerrt, alles nahm seltsame Formen an, das kaum vorhandene Wohnzimmer und die Kochnische, die aufeinandergetürmten Koffer und die Bank vor der halboffenen Tür, auf der sich die zerknitterte Wäsche stapelte. Gerade als die ersten Regentropfen aufs Dach des Wohnwagens trommelten, vibrierte mein Telefon. Ich ging ran, während er mein Glas bis zum Rand füllte. Ich erkannte sofort seine Stimme, trotz Panik und Zittern. Am Morgen hatte ich wie jedermann sein Konterfei in der Zeitung gesehen und den Artikel über ihn, das Porträt eines unwürdigen Vaters im Kostüm des Ex-Sträflings, eines Kindesentführers, dem man mit Hilfe von Bankkarte und Handy auf die Spur gekommen war, man würde ihn demnächst schnappen, es war nur noch eine Frage von Stunden, so jedenfalls behauptete Combe.
»Wo sind Sie?«
»In einem Hotel. Nicht weit weg.«
»Geht’s dem Jungen gut?«
»Ja. Natürlich. Alles geht gut.«
»Was haben Sie ihm gesagt?«
»Die Wahrheit. Dass seine Mutter nicht will, dass wir uns sehen, aber dass uns das egal ist und wir uns einen kleinen Urlaub zu zweit genehmigen.«
Ich trank mein Glas in einem Zug aus, draußen regnete es stärker, die Bäume bogen sich im Wind. Zwei große Kiefern legten sich fast in die Waagrechte, für Augenblicke berührten die Nadeln den Sand.
»Sie wissen, dass Sie gesucht werden?«
»Ja, ich weiß.«
Ich schenkte mir nach. Bréhel kniff die Augen zusammen.
»Was erwarten Sie von mir?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht. Einen Rat. Was würden Sie tun an meiner Stelle?«
»Ich würde Thomas seiner Mutter übergeben und versuchen, mit ihr zu sprechen und sie von einer Anzeige abzubringen.«
»Das funktioniert nie und nimmer. Ich würde zwei Jahre kriegen und den Jungen nie wieder sehen.«
Sein Kind musste in der Nähe sein. Er hatte seine Stimme um einige Tonlagen gesenkt. Ich verstand ihn kaum.
»Könnten wir nicht zu Ihnen kommen? Nur … nur für eine kurze Verschnaufpause.«
Ich überlegte einen Augenblick, Bréhel ging im Wohnwagen auf und ab, ohne mich aus den Augen zu lassen, stirnrunzelnd zog er an seinem Zigarillo. Ich schaute ihn meinerseits an, und er nickte verständnisinnig. Er wusste genau, worum es ging, alle wussten es übrigens, in dem Artikel wurde mein Name genannt und meine Vernehmung
Weitere Kostenlose Bücher