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Gegner des Systems

Gegner des Systems

Titel: Gegner des Systems Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Jon Watkins
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leichte Veränderung in der Atmung und die Blässe am Rand der Kinnlade waren ihm nicht entgangen.
    Es gab tatsächlich Dinge, die er DeCorum nicht enthüllen wollte, narrensichere Anzeichen für die Ängste eines Menschen. Alles, was der Untersuchende noch zu tun hatte, war, die Liste nach den verräterischen Zeichen durchzugehen. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hatte, auf sie zu achten, dann wurden sie so überdeutlich sichtbar wie eine Mißbildung für einen Arzt.
    Es gab wahrscheinlich keinen einzigen Studenten in seinen Kursen, der nicht Welsh seine geheimsten Ängste enthüllt hatte, ohne es zu wollen. Bei DeCorum hatte Welsh es bemerkt, weil dieser immer dann die Anzeichen zeigte, wenn „Bewegungslosigkeit“ erwähnt wurde. Selbst die Worte wie „gebunden“ und Sätze wie „Er war gefesselt“ oder „Ihm waren die Hände gebunden“ erzeugten die Reaktion. Welsh hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, daß DeCorum mehr Angst vor einer Lähmung als vor dem Tod oder sonst etwas hatte.
    Was er bei DeCorum gesehen hatte, als er die Wirkung der Sprengstoffsplitter beschrieben hatte, machte ihn sicher, daß sie bei DeCorum besser aufgehoben sein würden als bei einem Mann, dessen größte Angst dem Tod gilt. Man kann einen Menschen nur einen Augenblick lang umbringen, aber ihn für Jahre bewegungslos machen. Als Welsh zu Ende gesprochen hatte, zitterte DeCorum fast sichtbar. Welsh konnte die totale Angst spüren, und er bemerkte auch, daß auch Stark unruhig geworden war, wenn auch aus einem anderen Grund.
    Welsh zog DeCorum an seinen Jackenaufschlägen von seinem Stuhl hoch und stieß ihn gegen die Wand. DeCorum fing sich mit ausgebreiteten Armen ab, aber Welsh schob sie noch weiter auseinander und nach oben. Dann zog er ihm das Hemd über die Schultern und fing an, mit einem Klebeband aus dem Erste-Hilfe-Kasten die Sprengstoffstückchen an die richtige Stelle zu kleben. Ein Ausflug in den Keller bescherte ihm etwas dünnen Draht, von dem Welsh zwei Stücke zusammendrehte und am Rücken von DeCorum herunterführte und mit dem Band anklebte.
    Nachdem das Hemd wieder herabgezogen und in die Hose gestopft war, blieb knapp ein Meter Draht übrig. Welsh wandte sich Light zu. „Kannst du deinen Laser bis zur Stromquelle aufmachen?“
    „Nein, aber ich kann ihn bis zu den Ausgängen aufmachen.“
    „Das reicht. Schließ sie so an, daß sie mit dem Ab- und Anschaltknopf aktiviert werden können. Wenn wir reinfahren, halte ich ihn auf dem Schoß. DeCorum sitzt zwischen Stark und mir. Du und Brendan, ihr müßt hinten sitzen. Haltet die Hände hinter eurem Rücken, als wäret ihr mit Handschellen gefesselt.“ Light nickte. „Auf geht’s. Je länger wir warten, desto größer ist die Möglichkeit, daß sie hierherkommen und rauskriegen, was passiert ist.“
    Als sie die Veranda verließen, machte Stark eine Bewegung in Richtung auf den Schatten, und plötzlich erschien Brendan. Sein Cape war diesmal aus Tweed und nicht schwarz. Welsh sah Light an und zeigte mit dem Daumen nach hinten, wo er den Gefangenen erwartete. Light zuckte die Achseln. „Sie sind sehr zerbrechlich.“
    Welsh nickte verstehend, und sie stiegen in den Wagen ein.

 
11
     
    Sie fuhren genauso von der Schnellstraße ab wie Welsh auf seinem Weg zur Universität. Als sie auf das südöstliche Tor zufuhren, bemerkte Welsh, wie sich bei DeCorum die Stimmung änderte. Er wurde immer hektischer und hektischer, bis er sich schließlich wieder in einer Art und Weise beruhigte, die eine forcierte Kontrolle vermuten ließ. Die Kontrolle war zwar notwendig, damit sie DeCorum nicht unbeabsichtigt verraten würde, aber diese Kontrolle war zu stark, und Welsh spürte, daß DeCorum plante, den Posten am Tor zu warnen. Der Mann unterdrückte offensichtlich mehr als nur seine Angst. Als sie vor dem Tor anhielten, lehnte sich Welsh näher an DeCorum und flüsterte ihm zu.
    „Versuch’s nicht.“
    DeCorum zuckte zusammen. Er fing an, es abzustreiten, machte sich aber dann klar, daß seine erschrockene Reaktion alles, was er sagen könnte, Lügen strafen würde. Seine nach außen gerichteten Gefühle hatte er auf jeden Fall perfekt unter Kontrolle gehabt. Er hatte seinen Gesichtsausdruck so eingerichtet, daß er genau das richtige Ausmaß an unterdrückter Angst widerspiegelte.
    Er war sicher, daß Welsh keinen äußerlichen Hinweis hatte entdecken können. Entweder hatte Welsh glücklich geraten, oder seine Beobachtungsgabe so geschult, daß

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