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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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zugestürmt, lief dann aber geschmeidig zurück zu dem Geröllhaufen. Jetzt hörte sie den Hund winseln, ein Winseln, das sie kannte, aber nicht von Spaziergängen. So klang es, wenn Betsy rauswollte oder wenn sie zu lange allein in der Wohnung gewesen war.
    »Betsy! Hierher! HIERHER!«
    Sie stand unten und schaute zu dem Hund hinauf, aber der wollte nicht kommen. Sie seufzte und kletterte den Hang hoch.
    »Dummer Hund. Warum kommst du nicht? Was hast du da, he? Was hast du da?«
    Jetzt war sie nur noch wenige Meter entfernt und sah einen grauen oder vielleicht auch braunen Zipfel Stoff aus der Felsspalte herausragen. Eine Decke. Der Hund hatte den Stoff ein Stück herausgezogen. Sie kam näher, beugte sich vor und sah eine Hand, ein Stück von einem Arm und etwas anderes, etwas, was unbeschreiblich war. Das passiert mir doch nicht, dachte sie, und sie packte den Hund viel zu fest am Halsband, verlor das Gleichgewicht und rutschte den Abhang hinunter; sie spürte einen Schmerz in der rechten Gesäßhälfte, landete auf allen vieren und erst jetzt schrie sie.

4
    Die Scheinwerfer – er hatte sich nie an das blendend helle Licht gewöhnt. Der Tod wurde obszön grell beleuchtet … Dies war eine Arbeit, die man am besten bei Tageslicht erledigte. An Abenden wie diesen fehlte ihm eine vernünftige Einstellung zu seinem Job, vor allen Dingen zu dem Opfer, das dem zudringlichen Licht ausgesetzt wurde. Sten Ard quälte sich unter dem Absperrband hervor, das die Schaulustigen auf Abstand hielt.
    Er hatte sich einen Weg zwischen allen hindurchbahnen müssen. Am Abhang drängten sich ein paar Leute, die still dastanden. Waren das Bekannte und Angehörige? Es war wie bei einer Feuersbrunst, und Ard wusste, dass er hier heute Abend ungefähr ebenso wenig ausrichten würde wie die Gesichter, die ihn umgaben. Aber er musste hier erscheinen. Die Ermittlungen konnten nicht beginnen, wenn er nicht dabei war.
    »Da bist du ja.«
    Kriminalinspektor Ove Boursé wandte sich halb um, als Ard vorsichtig den Abhang hinaufstieg, der Linie entlang, die die Männer von der Spurensuche vor einer Stunde markiert hatten. Er sah den Matsch, den Schotter, die Grasbüschel unter sich: Das waren keine idealen Arbeitsbedingungen für jemanden, der nach Spuren suchen musste.
    »Hast du schon mal versucht, aus einem voll besetzten Ullevi Stadion herauszukommen?«
    »Würde mir nie einfallen.«
    »Aha.«
    »Würde mir nie einfallen, da hinzugehen.«
    Ove Boursé war ein guter Fahnder. Er hasste Sport. Vielleicht ist das eine ganz gute Kombination, dachte Ard. Auf das Wesentliche konzentriert. Das könnte er jetzt brauchen.
    Boursé wischte sich Regentropfen von der Stirn und aus dem Schnurrbart und machte eine Bewegung nach oben. Sie hatten eine Persenning aufgespannt; der Regen umgab das provisorische Zelt wie ein graues Gerüst.
    »Sie liegt da oben. Frenkel ist mit seiner ersten Untersuchung fertig.«
    Untersuchung, was für ein Scheißwort, dachte Ard, sagte aber nichts, sondern ging zum Rand des Felsens und kauerte sich hin.
    »So ist sie gefunden worden?«
    »Das hat die Zeugin ausgesagt.«
    Ard hatte auf dem Weg hierher eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse bekommen.
    »Ist sie hier?«
    »Im Carlanderska Krankenhaus. Schwerer Schock.«
    »Im Carlanderska?«
    »Sie ist Privatpatientin. Aber sie scheint eine ganz anständige Person zu sein. Die Klassenanalyse können wir uns ja vielleicht für später aufheben.«
    Ard schätzte Boursés trockene Kommentare, besonders bei diesem Wetter. Sie arbeiteten schon lange zusammen, zwischen ihnen hatte sich eine Art Jargon entwickelt. Wenn sie in die Hölle hinabstiegen wie an diesem Abend, schärften sich ihre Sinne durch eine Sprache, die locker auf der groben Oberfläche zu fließen schien.
    Er war vorbereitet gewesen, dennoch schoss ihm das Blut ins Gesicht, als er das sah, was vor vierundzwanzig Stunden noch ein lebendiger Mensch gewesen war. Übel wurde ihm trotzdem nicht. Wieso, wusste er nicht. Ein normaler Mensch würde sich die Därme aus dem Leib kotzen.
    »Großer Gott.«
    »So viel haben wir auch aus der Zeugin rausgekriegt.«
    »Scheiße, reicht es denn nicht, jemanden einfach umzubringen?«
    Boursé stand dicht neben ihm, eine Hand auf Ards Schulter. »Es ist eine Art Botschaft an uns, an das Opfer und die Welt, und du weißt, was so etwas bedeutet.«
    »Ja.«
    »Vielleicht hat es ja auch nichts zu bedeuten.«
    »Nein.«
    »Die Decke war da, als wir kamen.«
    »Sie war in die Decke

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