Geh aus, mein Herz
größeren Mann auf.
»Jemand ist gestorben und du hast darüber mit der Presse gesprochen.«
»Ja. Zweimal.«
» Zwei Pressekonferenzen.«
»Ja, aber es geht darum, dass zwei Leute gestorben sind. Gewaltsam.«
»Ich hab was in der Göteborg-Posten über einen Mord im Zentrum gelesen. Ein Name wurde nicht erwähnt.«
»Das ist die Vorsicht der Morgenzeitung und die ehrt sie. Aber in diesem Fall brauchen wir die Hilfe der Bevölkerung, deshalb nennt die Göteborg Tidningen Namen. Obwohl wir sie ja sowieso nicht daran hätten hindern können. Und die Göteborg Tidningen verhält sich in diesem Fall richtig.«
Wide wartete. Ard war nicht gekommen, um mit ihm über die Ethik der Presse zu diskutieren. Er sah, dass der ältere Mann die Tasse absetzte und seinen Nacken mit beiden Händen massierte.
»Ich will dir sagen, was geschehen ist: Zwei Menschen sind umgebracht worden und diesmal geht es nicht um die übliche Abrechnung unter Betrunkenen. Hier besteht ein Zusammenhang, und einer dieser Zusammenhänge ist der, dass beide Opfer in derselben kleinen Stadt aufgewachsen sind wie du.«
»Jetzt werde ich also verdächtigt.«
»Du weißt, was ich meine.«
»Ja.«
»Und was meine ich?«
»Du musst mir noch einen Namen nennen.«
»Einen Namen?«
»Den ersten hab ich schon, Ulla Torstensson oder Bergsten, wie sie als Mädchen hieß.«
Wide berichtete. Ard hatte sich auf einen der Küchenstühle gesetzt.
»Eine Frau, ein Mann. Auf dieselbe Art zugerichtet, soweit wir sehen können. Und zugerichtet ist nicht die falsche Bezeichnung in diesem Fall.«
Ard berichtete. Wide setzte sich.
»Wie heißt er?«
»Rickard Melinder.«
Im Gegensatz zu der ermordeten Frau war da etwas … Wide dachte nach, Ard schaute zu. Es dauerte eine Weile, ehe Wide seinen Erinnerungen zurück in die Vergangenheit gefolgt war.
»Du weißt, dass ich nicht viele Jahre in Sävsjö gewohnt habe.«
»Nein, aber du hast dort gewohnt.«
»Melinder. Vielleicht. Warte mal.«
Wide erhob sich und ging ins Schlafzimmer, sein Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch lagen die Jahrbücher. Er kehrte zurück, setzte sich an den Tisch, die Hefte auf dem Schoß, und begann langsam darin zu blättern. Ard stand auf, kippte die nassen und aufgequollenen Teeblätter aus dem Topf in den Abfalleimer unter der Spüle und ließ neues Wasser einlaufen. Wide drehte den Kopf.
»Hier ist er.«
Das vierte Gesicht von links in der mittleren Reihe, offen und voller Vertrauen und Hoffnung.
»Ein richtiger Scheißkerl, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Aha.«
»Wohl gemerkt, wenn ich mich richtig erinnere. Rickard Melinder. Doch. Er wohnte gar nicht weit von mir entfernt, auf der Sturegatan, glaub ich.«
»Also ein Scheißkerl.«
»Wie so ein Kind sein kann, das eine besondere Bösartigkeit mit sich herumträgt. Ich glaube, er gehörte zu einer Clique.«
»Die üblichen Radaubrüder.«
»Ja, das Ganze hat sich mehr an meiner Peripherie abgespielt. Aber ich glaube, die Clique hat sich Opfer ausgesucht, die sie terrorisierten. Mobbten. Das war ja nichts Ungewöhnliches. So war es wohl.«
»Bist du auch Opfer geworden?«
»Ob ich gemobbt worden bin? Ich weiß nicht recht. Als wir noch neu im Ort waren, wollte mir einer eins aufs Maul geben, aber ich hab zurückgeschlagen. Das klingt zwar sehr taff, aber ich hatte ziemlich Schiss; danach ist es jedenfalls nicht wieder passiert. Ich glaube, Melinder war so eine Art Anführer der Clique. Es waren nur ein paar und die waren häufig zusammen. Wahrscheinlich kamen sie allein nicht besonders gut zurecht.«
»Und sie waren fies.«
»Ja. Haben einem Auserwählten nach der Schule aufgelauert.«
»Hast du mal mit Melinder geredet?«
»Er war etwas jünger; kann schon sein, dass wir mal ein Wort gewechselt haben. Aber ich kann mich nicht erinnern.«
Wide fand keine klare Erinnerung in seinem Gedächtnis an ein Gespräch mit diesem Jungen, dessen Leben so gewaltsam in Göteborg geendet hatte. Er suchte nach Bildern vom Schulhof, in Korridoren, um die kleine Stadt herum.
»Wenn ich ihn vor mir sehe, an ihn denke, sehe ich fast immer diese Clique.«
»Würdest du die Mitglieder wiedererkennen?«
»Tja, da sie sozusagen hinter ihrem Anführer standen, werden sie noch undeutlicher. Aber irgendwo hier muss es sie ja geben.« Wide zeigte auf die Gesichter auf dem Tisch.
»Kannst du sie dir noch mal anschauen?«
Keine Frage.
»Ja, aber es kann ein bisschen dauern.«
»Nicht zu lange, wir brauchen mehr Namen.«
Wide
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