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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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jemandem sprechen. Ziehen Sie sich an, dann fahren wir.«
     
    Sten Ard hielt bei Rot vor der Jubiläumsklinik, dachte daran, wie glücklich er sich schätzen sollte, als er durch den verdammten Regen einen dieser Unglücklichen, vielleicht einen Krebspatienten, hinter einem der Fenster ausmachen konnte. Die Ampel sprang auf Grün um, und Ard fuhr weiter, bog nach rechts in die Ehrenströmsgatan ab, fuhr den Hügel hinauf und zur Toltorpsgatan hinunter. Im Tal bog er vor der Post nach rechts ab, ließ den Blick suchend über die Hausnummern gleiten und hielt vor einem Holzhaus auf der Lyckogatan.
    Die Frau war blond, groß, um die vierzig. Sie hatte das breite Gesicht und die offenen, forschenden Augen, die Ard bei Frauen gefielen; aber jetzt waren diese Augen rot und matt, die Züge zerbrechlich. Sie trug Jeans und ein kariertes Hemd und ging barfuß über einen Fußboden, von dem Ard Kühle aufsteigen spürte, als er seine Schuhe auszog und ihr in ein halbdunkles Zimmer folgte. Die Frau zog die Jalousien hoch, aber es wurde nicht merkbar heller. Zuerst lehnte er einen Kaffee dankend ab, dann sagte er doch ja.
    Er stellte die gewöhnlichen Fragen in einer ungewöhnlichen Situation; eine solche Situation war immer ungewöhnlich, aber das war kein Trost für Berit Melinder, die jetzt mit verschränkten Fingern vor ihm saß. Sie knipste eine große, schmale Stehlampe neben der ledernen Sofagruppe an.
    Viel sagte sie nicht, nicht »Entsetzlich« oder »Ich versteh das alles nicht« oder »Wer kann so etwas getan haben« oder »Ich will es nicht hören«. Stattdessen sagte sie, sie habe ihren Mann in den letzten fünf Tagen nicht gesehen. Das bedeutete, dass er zwei oder mehr Tage vor seinem Ableben nicht zu Hause gewesen war. Wo war er gewesen?
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie hob den Blick, sah Ard geradeheraus an. Er bemerkte darin eine Art Trotz, den er nicht verstand.
    »Er hat sich nicht gemeldet?«
    »Nein.«
    »Mehrere Tage lang nicht?«
    »Seit Samstag nicht.«
    Sten Ard wartete, während sie in die Küche ging. Sie kam mit dem Kaffee und einer Milchpackung zurück.
    »Haben Sie sich Sorgen gemacht?«
    »Nein.«
    Mit sicherer Hand schenkte sie Kaffee ein. Es war, als ob sie in seiner Gegenwart zur Ruhe käme. Auch das verstand er nicht.
    »Rickard dachte vermutlich, dass ich mir keine Sorgen machen würde.«
    Ard sah einen Glanz in den Augen und einen Zug um den Mund, den er als eine Art Sarkasmus deutete.
    »Aber das stimmt nicht?«
    »Nein.«
    »Sie haben sich also Sorgen gemacht, als er sich nicht meldete. Diesmal.«
    »Ich hab mich gefragt, was er wohl treiben mochte. Diesmal.«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    Er wartete. Sie suchte nach Worten, aber nicht lange.
    »Rickard ist ein Mann, der seine eigenen Wege geht. Nicht oft, aber es kam vor, dass er seine eigenen Wege ging.«
    Sten Ard registrierte den Zeitenwechsel in ihrem Kommentar, als ob sie unbewusst der Chronologie der Ereignisse folgte.
    »Ich verstehe es trotzdem nicht.«
    Sie atmete ein, dann aus. Ard hörte Kinderstimmen von der kleinen Straße vorm Haus. Sie wurden schwächer und als Letztes hörte er ein klares, kurzes Lachen.
    »Rickard war kein glücklicher Mensch. Manchmal war er noch unglücklicher als sonst, dann verschwand er und blieb ein paar Tage weg. Wenn er zurückkam, war es besser. Dann schien es ihm besser zu gehen.«
    »Sie haben darüber gesprochen?«
    »Er sagte, er fühle sich besser.«
    »Ich meine, ob Sie darüber gesprochen haben, wo er gewesen ist.«
    »Ich hab ihn natürlich gefragt, aber er wollte es mir nicht sagen.«
    »Irgendwas müssen Sie doch erfahren haben.«
    »Er wollte nicht darüber reden.«
    »Ob er sich zum Beispiel in der Stadt aufgehalten hat.«
    »Das Auto hat er nicht genommen, aber es gibt ja Züge und Busse.«
    »Hat er einen Koffer gepackt?«
    »Nein.«
    »Keine Reisetasche?«
    »Wie ich schon sagte … Aber er hat angerufen, bevor er verschwand. Jedes Mal, nur diesmal nicht. Das letzte Mal.«
    Ard versuchte ihren Gesichtsausdruck zu ergründen, als sie »das letzte Mal« sagte, aber sie hatte den Kopf gesenkt. Ihren Kaffee hatte sie nicht angerührt, auf der Untertasse waren ein paar Tropfen. Sie schaute auf.
    »Es klingt sicher merkwürdig, dass er manchmal verschwand. Aber Rickard ist nur ein paarmal weggeblieben im Lauf der Jahre, die wir uns kennen.«
    »Drei Jahre.«
    »Ja.«
    »Und Sie haben die ganze Zeit hier zusammengelebt.«
    »Ja, fast. Das Haus gehört mir.«
    Ard schwieg.
    »Es war

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