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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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klingelte noch einmal und hörte Schritte in der Wohnung. Die Tür wurde geöffnet, er sah Wides blonden Kopf und sein plattnasiges Gesicht im trüben Licht der Leuchtröhren des Treppenhauses.
    »Mr Ard. Schon eine ganze Weile her, dass wir uns gesehen haben.«
    »Ja. Hallo.«
    Wide öffnete die Tür ein wenig.
    »Willst du reinkommen?«
    »Ja, gern.«
    »Hast du dir das gut überlegt?«
    »Nein.«
    »Na dann, komm rein.«
    Als Ard das letzte Mal in Wides Wohnung gewesen war, waren sie nicht allein gewesen. Er hatte das Gefühl, als wäre es ein Jahrhundert her, aber es konnte nicht länger als ein halbes Jahr zurückliegen. Die Frau, die auf der Couch gesessen hatte, war des Mordes verdächtigt worden, und Ard war zuerst fast durchgedreht vor Wut und, hinterher, sehr erstaunt über diesen outlaw gewesen, der selbst dann, wenn er falsch handelte, doch alles richtig machte.
    Jonathan Wide war der beste Kriminalbeamte gewesen, mit dem Sten Ard jemals zusammengearbeitet hatte, dessen Vorgesetzter er rein formell gewesen war. Wide hatte das gewisse Etwas. Manchmal lächelten sie anerkennend darüber: Wide hatte die Intuition, die Fähigkeit, Momente, die voller Gewalt gewesen waren, festzuhalten und während der Ermittlung in seinem Kopf neu zu erschaffen. Das war eine Art grob gehobelte und gleichzeitig wahnsinnsscharfe Intelligenz, die Pfade mit Abdrücken wahrnahm, die niemand sonst sehen konnte.
    Kriminalinspektor Wide hätte geradewegs an die Spitze marschieren können, und Kommissar Ard hätte nur den Luftzug gespürt, wenn Wide an ihm vorbeigezogen wäre, aber dazu war es nicht gekommen. Vor zwei Jahren hatte Wide den Polizeidienst quittiert, leise, ohne große Abschiedsgesten. Er hatte »Adieu« gesagt, und das war kein » Au revoir « gewesen, das hatte Ard begriffen. Zumindest glaubte er das. Der Alkohol spielte wohl auch eine gewisse Rolle, doch Ard hatte nie angenommen, dass er wirklich von Bedeutung gewesen war. Es war eher Wides Methode … Wenn sie einen Fall gelöst hatten, aber auch wenn es ihnen nicht gelungen war, war Wide lange Zeit hinterher erschöpft gewesen.
    Er hatte nie zu den Kollegen gepasst. Er war kein »alter Kamerad«, er hasste den Geist, der die brutalen Mitglieder des Polizeidienstwesens schützte, Polizisten, die erst prügelten und dann niemals zur Rechenschaft gezogen wurden. Ard hasste diesen Geist. Sie hatten einander frühzeitig gefunden; manchmal hatten sie über den abgenutzten Konservatismus diskutiert, der sich im Polizeidienst ausbreitete. Ein Polizist konnte verbittern und verzweifeln. Aber es gab immer ein eigenes Verhaltensmuster, eine Würde.
    Da war plötzlich etwas, alte Dämonen, die mit einem Mal ihre Fratzen zeigten, über die Ard aber nicht reden wollte, und Wide wollte auch nicht darüber reden.
    Sten Ard roch frische Farbe und bemerkte die Renovierung der Wohnung. Wide war auf dem Weg der Besserung. Er wusste es. Es war richtig gewesen, herzukommen.
    Nach seinem Ausscheiden waren sie in lockerem Kontakt geblieben. Ihr früheres enges Verhältnis war unterbrochen worden, als Elisabeth Wide verließ, aber gelegentlich traf sich Ard mit seinem jüngeren Exkollegen, nicht oft, weil Wide es nicht wollte. Ard hatte es selbst überrascht, dass er das Bedürfnis hatte, Wide um Rat zu fragen, wenn ein Fall nicht vorankam. Das war zwar gegen alle Regeln, aber Ard hatte diese Gespräche gebraucht, und Wide hatte – wenn auch widerwillig, aber mit widerwilliger Zielstrebigkeit – den Fall von verschiedenen Seiten unter die Lupe genommen, vom Standpunkt eines Außenseiters.
    Diesmal suchte Ard nicht den Experten. Es gab einen anderen Grund.
    Sie standen in der Küche. Ard wollte keinen Kaffee, sagte zu Tee jedoch nicht nein, der seinem Magen besser bekam. Wide sah müde aus, aber auf eine irgendwie muntere Weise: eine Müdigkeit, die nicht von übermäßigem Alkoholgenuss herrührte, sondern von mangelndem Schlaf.
    »Hast du heute die Göteborg Tidningen gesehen?«
    »Nein, ich lese sie nicht so oft, wie ich es eigentlich sollte.«
    »Da bin ich drin.«
    »Gratuliere.«
    »Aber nicht als Hauptperson.«
    Wide nahm den Topf mit kochendem Wasser von der Herdplatte, gab zwei Esslöffel Teeblätter hinein, wartete, bis das Wasser die Farbe von dunklem Bernstein annahm, und goss den Tee in zwei Tassen.
    »Milch?«
    »Warum fragst du, wenn du schon Milch reingetan hast?«
    »Aus Höflichkeit.«
    Ard nahm die Tasse, wartete. Wide trank, wischte sich den Mund ab und sah zu dem

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