Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Meinung des Publikums. Wide hatte den Eindruck, nicht mit der Meinung jener übereinzustimmen, die das Programm machten. Oder war es eine entgegengesetzte Anpassung? Er wusste es nicht, es war ihm egal; aber manchmal hasste er den Mist, der über ihm ausgegossen wurde, und diese Sekunden, in denen er sich erregte, verblüfften ihn.
    »Ich kann mir ja mal eine Folge ansehen. Gibt es irgendwelche Übereinstimmungen? Irgendwas, was mir hier von Nutzen sein könnte?«
    Kollding sah ihn schräg von oben an. Nahm dieser vierschrötige Kerl ihn wieder auf den Arm?
    »Gucken Sie sich eine Folge an und ziehen Sie Vergleiche. Manchmal verdrehen die die Sicherheitslage dermaßen, dass man sich nur an den Kopf fassen kann. Die Leute gehen rein und raus mit Sachen, ohne dass der Alarm losgeht. Dann wieder rennen alle raus und versuchen den Dieb zu schnappen. Total bekloppt. Trotzdem ganz lustig, wie gesagt.«
    »Aber ist das denn nicht auch Ihr Problem hier?«
    »Ja und nein. Wir pflegen nicht auf die Hamngatan oder Fredsgatan rauszustürmen. Es kommt allerdings vor, dass jemand es schafft, den Alarm auszuschalten und Sachen wegzuschleppen. Manche stürmen auch wie verrückt davon, nur mit einer Flasche Haarwasser.«
    »Vielleicht steckt eine überraschende Einladung zu einem Fest dahinter.«
    »Ha, ha. Göteborg im Festrausch. Die ganze Woche Samstag.«
    Sie waren in Kolldings Büro über all den Düften und der Schönheit zurückgekehrt.
    »Was wäre meine Aufgabe? Sie sprachen von ›Beobachtung‹, davon, mit offenen Augen herumzugehen.«
    »Wir haben es noch nicht geschafft, uns genaue Gedanken zu machen. Wir brauchen jemanden, der sich im Haus bewegt und über Sicherheit nachdenkt, die ›Fluchtwege‹, wenn ich es so nennen darf. Mich hält dieses neue Computersystem in Atem, der Himmel mag wissen, wann wir die Installation in den Griff bekommen. Und die Klauerei.«
    Kollding erzählte, Wide hörte zu und schaute auf die Köpfe der Leute hinunter. Seine Kehle war trocken, die Luft hier drinnen war trocken. Er hörte wieder zu, aber auch jetzt war sein Herz nicht richtig dabei. In Gedanken sah er einen Kreis von Kindern, in der Mitte eine Bewegung, ein Schrei und noch ein Schrei und ein offenes und dann verschlossenes Gesicht, das sich ihm zuwandte; und er wusste, dass er dieses Gesicht irgendwo gesehen hatte. Auch als er mit der Rolltreppe nach unten fuhr und den Boulevard betrat, wurde er das Bild nicht los.

9
    Ihn fror. So sollte es sein. Noch hatte niemand gefragt, warum sollten sie auch, offene Fenster waren nichts Ungewöhnliches. Und wer wusste schon, dass sein Fenster immer offen stand, dass er auf diese Weise seine Zimmer mit der Natur, der Weite füllte. Er konnte ja noch eine Decke nehmen, er besaß mehrere. Er hatte immerhin eine Wohnung. Andere wohnten auf der Straße, nicht wahr?
    An manchem Abend stand er oben am Waldrand – wenn man es so nennen konnte, aber er fand keine passendere Bezeichnung. Dort stand er und sah die Lichter des Hauses, in dem er wohnte. Er hatte die Lampen in seiner Wohnung brennen lassen, er stand gern hier und sah sein eigenes Licht. Er wollte zu der Zeit hier sein, wenn die Menschen am Abend heimkehrten, wollte zusehen, wie immer mehr Lichter in den Löchern der Fassade aufflammten. Auf diese Weise fühlte er sich hier zu Hause; er kannte die Menschen nicht, mit denen er Wände und Fassade teilte, aber er liebte sie: Er war ein Teil von ihnen und sie waren ein Teil von ihm.
    Niemand jagte ihn die Treppen hinauf bis zur Tür unterm Dach, die sich nicht öffnen ließ. Er lag nicht mehr auf der Schwelle und hörte die Schritte von unten. Er kommt nicht weiter, niemand kann den Speicher betreten, hast du dir etwa den Schlüssel besorgt, hä! Und er konnte sich in diesem Haus so oft bewegen, wie er wollte, ohne sich umzusehen. Trotzdem tat er es: Er sah sich jedes Mal um.
    Nachdem er still dagestanden und zugeschaut hatte, wie das Haus am Abend immer mehr Augen öffnete, ging er wieder hinunter und stieg die Treppen zu der Tür unterm Dach hinauf. Den Aufzug benutzte er selten. Der hätte ja stehen bleiben können.
    Auf den letzten Stufen hatte er es immer eilig, als ob die Tür zu seiner Wohnung in der Zwischenzeit verschwinden könnte. Erst drinnen wurde er wieder ruhig.
    Jetzt war er drinnen. Hier war er ruhig, aber er wusste, die Ruhe würde nicht lange anhalten; er war mehr denn je bei sich und doch war er immer noch unterwegs. Er wollte warten und andererseits auch nicht.
    Er

Weitere Kostenlose Bücher