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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Busch im Park oder den Brücken. Hier gibt es keine Sonderbehandlung von Menschen, hier wird niemand verhätschelt.
    »Wenn das bekannt wird, könnte es nicht einen dämpfenden Einfluss auf die finsteren Kräfte haben? Oder eher den Einfluss der Nazis auf die stumme Mehrheit dämpfen?«
    »Glaubst du? Es wird vermutlich zu einem weiteren Argument für die ethnische Säuberung.«

13
    Jonathan Wide wanderte in seiner Wohnung im Kreis herum, getrieben von einer Rastlosigkeit, die er früher vermisst hatte; ja, er hatte sie vermisst, als ob er es nicht gewagt hätte, das Leben auf mehr als einer Ebene zu leben. Er hatte seit einer Woche nichts getrunken – wann war das je geschehen? Das trug natürlich auch zur Unruhe bei.
    Aber in erster Linie war es dieser Fall – diese Körper in den Hohlwegen und Gebüschen mitten in der Stadt. Dieser Mörder. Wide war erwacht, es war ein Gefühl, als erwache er aus einem langen Dämmerzustand, was ja an und für sich auch stimmte. Es war, als stände er neben sich und schaute verwundert zu, was geschah.
    Oder es war ein Traum, zwar ein Tagtraum, aber etwas, dem man mit Skepsis begegnen sollte, ein nur vorübergehend klarer Blick. Geh vorsichtig damit um. Immer nur eine Sache zur Zeit, ein Schritt nach dem anderen. Sei bereit, dich wieder einen Schritt zurückzuziehen.
    Er hatte sich gesetzt, nahm das Buch in die Hand. Wide wusste nicht, zum wievielten Mal er es las: Thorsten Jonsson, Erstausgabe von 1949. Er las »Konvoi« in dem Moment, wo der Herbst unter die Haut kroch: Gestern warst du so beredt, jetzt zögerst du mit Worten; und jetzt merkte er, dass man die Prosa auch ohne ein Whiskyglas daneben lesen konnte.
    Nach einer Seite legte er das Buch auf den Stuhl und ging ins Bad, stellte sich vor den Spiegel und studierte seine Augen. Der rote Schimmer an den Rändern des Augapfels hatte sich verzogen, er sah, dass auch das kleine Netzwerk von roten Äderchen darunter zu verschwinden begann. Es wurde gleichsam eingesogen von dem Weiß der Augäpfel, die nicht mehr gelblich waren, sondern mehr zu Blau tendierten. Ein schwedisches Augenpaar, dachte er, kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Seine Familie stammte allerdings aus Dänemark; insofern stimmten die roten und weißen Farben. Vielleicht war er auf dem Weg, ein blauer und gelber Schwede zu werden.
    Er harrte lange vor seinem Gesicht aus, erforschte es von außen und von innen; ein neu geschaffenes Lächeln, das sich bis in die Schläfen spannte, Haut, die sich seit Jahren zum ersten Mal glättete. Er öffnete den Mund, riss die Augen auf, lachte, ha, ha, ha, ha, ha, und der Laut klang wie ein fremdartiger südlicher Luftzug in dieser Wohnung, wie ein Vorbote von Wärme. Trotzdem ist es nur fake, dachte er, aber selbst ein vorgetäuschtes Lachen war ihm willkommen in diesen düsteren Räumen, und er versuchte es gleich noch einmal, ha, ha, ha, ha. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, ganz fest, seine Stirn glättete sich und wurde breit und hoch, und er wusste, was er sich wünschte, was seine Rastlosigkeit hauptsächlich verursachte: Er wünschte sich eine Frau, die ihm nah kam und ihre roten, weichen, lebendigen Lippen auf seine Stirn und seinen Mund drückte, seine Brust, den ganzen Körper.
    In der letzten Zeit hatte er Frauen auf Distanz gehalten. War es ein halbes Jahr her? Oder hatten die Frauen ihn auf Distanz gehalten, wenn er nach Mitternacht mürrisch sein eigenes Spiegelbild hinter der Bar angeglotzt hatte – nichts, um nach Hause geschleppt zu werden, niemand, neben dem man gerne aufgewacht wäre. Er war keine anziehende Gesellschaft für eine Frau gewesen, besoffen oder nüchtern, mit all der Wehmut wie eine Tugend. Wer konnte länger als einen kurzen Moment mit so einem Typen leben? Wide hielt nichts von kurzen Momenten. »In diesem Punkt bist du eher wie eine Frau«, hatte der treue schwule Shaeffer gesagt, »bei Frauen spielen die Gefühle eine größere Rolle als der Schuss. Gern ein Schuss, aber erst Gefühle.« Mist. Genau in diesem Augenblick, genau hier sehnte er sich plötzlich so heftig nach beidem, dass er einen Ständer bekam und sein Körper gleichzeitig ganz weich wurde. Er ging zurück ins Schlafzimmer. Er kriegte ihn nicht runter. Er ging zu seiner kleinen CD-Sammlung, nahm eine heraus und legte sie in den CD-Spieler, blieb stehen, während die brutale Musik seinen Körper packte, Now, George was a good straight boy to begin with, but there was bad blood in him someway he got

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