Geh Ich Auf Meine Hochzeit
sie den späten Bus nach Ballymoreen nahm.
Jetzt aber würde sie dableiben und die Zeichnung fertig stellen müssen. Wenn man Bernard einmal etwas versprochen hatte, würde er einem das Leben zur Hölle machen, wenn man seine Zusicherungen nicht einhielt.
»Gut«, meinte er und beugte sich näher, um den Entwurf zu betrachten. Sein harter Blick suchte ihre Augen.
»Hatten Sie einen schönen Abend gestern?«, fragte er, wobei sein Gesicht so dicht an ihrem war, dass sie die Pfefferminzbonbons riechen konnte, die er geradezu zwanghaft konsumierte.
Er wusste also Bescheid, der alte Hund! Sie hatte keine Ahnung, woher er es wusste, aber es war der Fall. Cara streckte selbstbewusst das Kinn vor. Sie würde nicht rot werden, nur weil es ihm jemand hintertragen hatte.
»Wunderbar«, schwärmte sie.
»Wie schön!« Er lächelte eisig. Sein Mund verzog sich dabei gekünstelt, die Augen spiegelten das Lächeln in keiner Weise wider. »Wie ich gehört habe, sind ein paar Hartgesottene bis zum Kneipenschluss geblieben.«
Cara biss die Zähne aufeinander. »Eine gute Party ist ganz nach meinem Geschmack, Bernard«, erwiderte sie näselnd.
Sie erhob sich und zwang ihn, nach rückwärts auszuweichen. Mit den Händen in den Taschen blickte sie herausfordernd wie ein Macho um sich. In den flachen Stiefeln Größe 41 war sie genauso groß wie er, was ihn offenbar verstörte. Er liebte es, über den anderen zu thronen, und zwar ganz besonders dann, wenn er dadurch von oben in weibliche Ausschnitte Einblick nehmen konnte. Hierzu bot sich bei Cara allerdings wenig Gelegenheit, da sie nie ein Kleidungsstück trug, das unterhalb ihres Halses offen stand. Ihre Garderobe war im Militärstil gehalten, und zwar in jeder Hinsicht. »Sie müssen mich entschuldigen«, meinte sie freundlich. »Ich habe jetzt einen Termin wahrzunehmen.«
Sie verließ den Raum, stampfte die Treppe hinunter und stürmte in die Damentoilette.
Tatsächlich wirkte sie etwas angegriffen, dachte Cara, als sie ihre leicht blutunterlaufenen, von kräftig getuschten Wimpern umrandeten Augen im Spiegel betrachtete. Ihre sonst weiße Haut sah jetzt fahl aus, und da sie am Morgen die Haare nicht gewaschen hatte, hingen sie ihr strähnig um das Gesicht. Mehr denn jemals zuvor ähnelte sie einer zentraleuropäischen Zigeunerin.
Phoebe, die ein Mondgesicht ohne jede Andeutung von Wangenknochen besaß, bemerkte ständig, wie glücklich sich Cara schätzen konnte, solch ausgeprägte Wangenknochen, eine gerade Nase und ein festes Kinn zu besitzen. Cara jedoch war ihr Aussehen verhasst. Sie hatte niemals herausgefunden, woher ihre kräftigen, zigeunerhaften Züge stammten, während der Rest ihrer Familie vollkommen anders aussah.
Ihr Vater war knapp zehn Zentimeter kleiner als sie und schlank. Bevor sein Haar eine silbergraue Farbe angenommen hatte, war es hellbraun gewesen.
Ihre Schwester Evie war der Inbegriff dessen, was sich jeder Mann unter einer besonders weiblichen Frau vorstellte. Sie hatte eine schmale Eieruhrenfigur, große Augen und eine niedliche Nase. Caras exotische Note fehlte bei ihr völlig.
Sogar ihre Mutter, an die sie sich nur anhand von ein paar Fotos erinnern konnte, hatte hellbraunes Haar gehabt, war schlank und sehr weiblich gewesen. Cara dagegen besaß den Knochenbau einer Leichtathletin und ein Gesicht, bei dem Zollbeamte regelmäßig aufmerkten, wenn sie auf Flughäfen nach den Ferien den Ausgang wählte, über dem »Nichts zu verzollen« stand.
»Er ist weg!« Zoë drückte die Toilettentür auf und äugte hinein. »Die gute Millicent wird zum Mittagessen ausgeführt.«
Beide verzogen gleichzeitig das Gesicht.
»Wir schulden es der guten Millicent, sie darüber aufzuklären, was für ein mieser Knochen er ist«, meinte Cara. In einer ihrer Taschen fand sie ein Gummiband und band ihre Haare damit zusammen. »Die Arme wird ihn noch heiraten. Unmittelbar nach dem Jawort wird sie sich, wie alle anderen, dem Suff zuwenden, wenn ihr nämlich klar wird, dass er sie mit seinem scheinbar netten Benehmen gefoppt hat.«
»Das ›alle anderem gilt wohl eher für dich«, meinte Zoë tugendhaft. »Ich trinke nicht.«
»Genau, du trinkst lediglich an den Tagen, die mit einem H, einem M und einem Ü beginnen: heute, morgen und übermorgen«, gab Cara zurück und versetzte ihrer Freundin einen leichten Klaps auf den Hintern. »Sag, was hältst du von einem Katermittagessen mit reichlich Kohlehydraten?«
»Genau das Richtige«, stimmte Zoë zu. »Mir ist
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