Geh Ich Auf Meine Hochzeit
alle um sie herum perfekt sein sollten: auch Cara musste eine perfekte Karrierefrau sein, mit begehbarem Schrankzimmer, die Barbies Ken zum Freund hatte und ihr Leben mit der Präzision eines Flugplans führte. Cara vermutete, dass beispielsweise Evies Vorliebe für alles in der Farbe Rosa im Garten daher rührte, dass ihr eigenes Leben alles andere als rosig war. Evies Willen zufolge sollte Cara all das haben, was sie nicht gehabt hatte Jugend, Geld, eine steile Karriere und einen ebenso erfolgreichen Ehemann. Es war nicht nur die Tatsache, dass Evie einfach nicht begreifen wollte, dass Cara diese Dinge kalt ließen. Aber abgesehen von solchen Oberflächlichkeiten fiel es schwer ihr zu sagen, dass ihre dringlichsten Hoffnungen und Träume für manche uninteressant waren.
Cara öffnete die Tür des Pubs, und Zoë und sie stählten sich gegen die Welt draußen. Eine frische Brise schlug ihnen entgegen, wirbelte durch Caras Haare und kroch mit eisigen Fingern ihren Rücken hinunter. Sie vergrub sich noch tiefer in ihren Mantel. »Alles in allem werden diese Ferien wohl kaum viel Vergnügen bereiten«, brummte sie.
Gemeinsam stapften sie mit gegen den Wind gesenkten Köpfen die Straße entlang.
»Vergnüglicher als bei mir«, widersprach Zoë bibbernd. »Immerhin werdet ihr heute Abend eine Party feiern. Mein Vater würde nicht im Traum daran denken, eine Party zu veranstalten. Er würde es als Geldverschwendung empfinden, all jenen im Dorf einen auszugeben, die er nicht leiden kann.«
»Stimmt«, pflichtete Cara ihr bei. »Papa veranstaltet tolle Partys. Am Weihnachtsabend Leute zu einem Drink einzuladen, hat er vor ein paar Jahren angefangen, als er auch mit der Malgruppe begann. Dieser Unterricht hat ihm so gut getan! Er bringt ganz erstaunliche Aquarelle zustande und verdient sich damit mittlerweile sogar noch ein nettes Sümmchen.«
»Hat er nicht früher schon gemalt?«, fragte Zoë. »Er malt doch schon, so lange ich dich kenne.«
»Nein, damit hat er erst vor acht Jahren nach seinem Herzinfarkt begonnen. Der Arzt hat ihm etwas empfohlen, was ihn beruhigt«, erläuterte Cara nachdenklich. »In seinem Kurs gibt es eine gewisse Frau Mulanny, eine Witwe, die vollkommen verrückt nach ihm ist. Sie ist vielleicht zehn Jahre älter als er und ruft ihn ständig an, ob er ihr nicht einen Nagel in die Wand schlagen oder sonst etwas reparieren könnte. Wir necken ihn schrecklich mit ihr. Sie rennt ihm förmlich die Bude ein.«
Am Bürogebäude angekommen, eilten sie seitlich weiter, um zum Hintereingang zu gelangen.
»Er sieht aber auch gut aus, nicht wahr? Jedenfalls auf den Fotos, die bei dir zu Hause herumstehen.«
»In Wirklichkeit sieht er noch viel besser aus. Er ist richtig distinguiert. Sein Haar hatte früher dieselbe Farbe wie das meiner Schwester, aber jetzt ist es stahlgrau. Das steht ihm echt gut.«
Cara stellte sich Andrew Fraser vor, sein freundliches, faltiges Gesicht mit den warmen grünbraunen Augen und dem einladenden Lächeln. Er war tatsächlich sehr attraktiv, selbst in seinen steinalten Kordhosen und den ausgebeulten Pullovern, die er im Haus gerne trug. Sie musste lächeln. »Vielleicht überreiche ich ihm ein Paket, das angeblich von Frau Mulanny stammt: mit einem Paar Unterhosen! Das würde ihm Spaß machen.«
Zoë schauderte bei der Vorstellung, ihrem Vater ein Scherzpaket zu überreichen. »Dein Papa scheint wirklich in Ordnung zu sein«, sinnierte sie. »Meinst du nicht, dass ich die Ferien über zu dir mitkommen könnte?«
Es war bereits halb sieben, als Cara am Abend endlich in ihrer Wohnung eintrudelte. Nachdem sie den Nachmittag über der Kampagne für das Abführmittel gebrütet und dann eine gehetzte halbe Stunde lang im Swan-Einkaufszentrum letzte Erledigungen getätigt hatte, war sie erschöpft und durchnässt. Der Bus nach Hause fuhr um halb acht vom Stadtzentrum ab. Es blieb ihr also noch eine viertel Stunde, um ihre Sachen zu packen, die Wohnung zu verlassen und in die Stadt zurückzurasen.
»Phoebe!«, rief sie, als sie die Tür hinter sich zuknallte.
Keine Antwort. Entweder war ihre Wohnungsgenossin bereits in Richtung Kerry nach Hause gefahren oder aber sie saß dicht an Mister Bureau de Change gedrängt in einem Pub. Glückspilz, dachte Cara.
Sie eilte in ihr Schlafzimmer und betrachtete das Chaos. Seit mindestens einer Woche hatte sie keine Wäsche mehr gewaschen, die dreckigen Sachen lagen in mehreren Häufchen wie Leichen auf dem Boden verteilt herum. Cara
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