Geheimakte: Das Vermächtnis von Nummer Sechs - das Erbe von Lorien
die Höhe zu hieven beginne, höre ich eine Stimme.
»Wir werden sie finden.«
Er ist es. Katarinas Henker.
Er steht auf einem der Felsbögen über mir und spricht mit ein paar mogadorischen Wachleuten. Als die Wächter verschwinden und er sich umdreht, um wieder in einem der Tunnel zu verschwinden, stehe ich vor der Wahl. Entkommen oder Rache. Das Licht über mir zieht mich an wie ein Wasserloch in der Wüste. Ich überlege, wie lange ich eigentlich kein Sonnenlicht mehr gesehen habe.
Aber ich kehre um.
Ich wähle die Rache.
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Auf Zehenspitzen folge ich ihm durch verschiedene Tunnel und konzentriere mich dabei auf die Beibehaltung meiner Unsichtbarkeit. Mittlerweile habe ich viel über mein Erbe gelernt und weiß, dass ich durch jede Überraschung oder unverhoffte Ablenkung wieder sichtbar werden kann.
Ich beobachte, wie er eine Zelle betritt, und schleiche mich hinter ihm hinein.
Da er von meiner Anwesenheit nichts ahnt, geht er gedankenverloren in eine Ecke und beginnt aufzuräumen.
Ich schaue nach unten. Auf dem Boden ist Blut, seine Waffen liegen offen herum. Er hat einen weiteren Gefangenen gefoltert und sterben lassen.
Ich habe noch nie zuvor einen Mogadori getötet. Diejenigen, die bei dem Versuch, mich zu töten, selbst ums Leben gekommen sind, zähle ich nicht mit. Bis jetzt habe ich nur einen Hasen getötet – und eine Schimäre. Zu meinem Schrecken stelle ich fest, dass ich nach einem Mord förmlich dürste.
Ich nehme eine scharfe Klinge vom Tisch und nähere mich dem Mogadori. Die Waffe fühlt sich in meiner Hand sehr gut an.
Genau richtig
.
Ich werde ihm keine Chance geben, mich anzubetteln oder mich von meinem Vorhaben abzubringen.
Ich packe ihn mir von hinten und schlitze ihm mit einem sauberen Schnitt die Kehle auf. Er würgt und spuckt Blut auf den Fußboden und meine Hände. Dann sinkt er in die Knie und zerfällt zu Asche.
Ich fühle mich lebendiger als je zuvor. Ich öffne den Mund. |76|
Das ist für Katarina,
will ich sagen. Doch ich bleibe stumm.
Ich sage nichts, weil es eine Lüge ist.
Es war nicht für Katarina.
Das war
für mich.
Eine Stunde später kann ich dem mogadorischen Komplex endlich entkommen. Ich bin völlig erschöpft und versuche so gut es geht unsichtbar zu bleiben, als ich aus der Höhle ins Freie klettere und von dort zu einem anderen Berg hinüberlaufe. Unterwegs muss ich ein paar Mal anhalten, um mich an die gleißende Mittagssonne zu gewöhnen. Meine milchig-weiße Haut brennt unter ihrer Helligkeit.
Ich schaue auf den Eingang der Höhle zurück, der aus dieser Distanz schon kaum mehr wahrzunehmen ist. Da ich meinem Erinnerungsvermögen nicht traue, versuche ich mir die Form und Lage des Mogadori-Felsens genau einzuprägen.
Ich bin sicher, dass die Mogadori bereits ein paar Leute nach draußen geschickt haben, um hier nach mir suchen zu lassen. Bestimmt durchforsten sie in diesem Moment die Umgegend.
Lass sie nur suchen.
Sie werden mich niemals finden.
Ich laufe ein paar Kilometer weiter, bis ich zu einer Straße in einem kleinen Bergarbeiterdorf komme. Ich bin barfuß, die Straße setzt meinen Füßen hart zu und ruiniert meine Gelenke. Aber es ist mir egal. Früher oder später werde ich mir schon ein paar Turnschuhe beschaffen können.
Ich stoße auf einen Lastwagen, der vor der einzigen Ampel des Orts angehalten hat. Leichtfüßig springe ich auf die Ladefläche des Pick-ups. Weiter und weiter lasse ich mich von der mogadorischen Höhle wegbefördern.
Als der Fahrer ein paar Stunden später anhält, um zu tanken, schleiche ich mich – immer noch unsichtbar – in das Wageninnere und krame in seinen Sachen herum. Ich nehme mir eine Hand-voll Vierteldollarmünzen, einen Kugelschreiber, ein paar |77| Blätter Papier und eine ungeöffnete Tüte Barbecue-Chips.
Dann laufe ich hinter die Tankstelle und setze mich in den Schatten. Dort zeichne ich, soweit es meine Erinnerung zulässt, eine Karte, die den Weg zum Eingang der Höhle beschreibt, dazu ein Diagramm der Tunnel im Inneren. Es wird zwar lange dauern, bevor ich sie wieder benutzen werde, aber meine Erinnerung an das mogadorische Versteck ist mein wertvollster Besitz und darf nicht verloren gehen.
Als ich alles fertig gezeichnet habe, lege ich den Kopf in den Nacken. Die Sonne geht bereits unter, doch noch spüre ich ihre Wärme auf der Haut. Ich öffne die Chipstüte und stopfe alles in drei Bissen in mich hinein. Die salzig-süßen Chips schmecken köstlich. Einfach
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