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Geheimakte Proteus

Geheimakte Proteus

Titel: Geheimakte Proteus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson , Matthew J. Costello
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die jetzt schmollend in die Runde blickte.
    »Marilyn Monroe«, murmelte Tristan.
    »Was?«, sagte der Mann neben ihm, der körperlich präsent war und vor und zurück wippte, als stehe er auf einem Schiff, aber in Wirklichkeit schwebte sein Bewusstsein irgendwo hinter dem Jupitermond Ganymed.
    Tristan hatte ihre alten Vids gesehen. Diese Frau, ihr mädchenhaftes Lachen, ihre üppige Figur und ihre Ausstrahlung hatten ihn beeindruckt.
    »Das ist Marilyn Monroe.«
    »Das ist nett«, sagte der Mann und starrte die Schauspielerin mit offenem Mund an.
    Dann verschwand Marilyn – viel zu schnell –, und an ihrer Stelle stand ein Mann, klein, hässlich, hager.
    Gab mit seinem Holoanzug an.
    Er tippte an eine Stelle an seinem Ärmel, und plötzlich war er ein nackter Mann mit schwellenden Muskeln und blitzenden Zähnen.
    Das wünschst du dir, dachte Tristan.
    Er hatte im Ocean etwas von einem jungen Mann gehört, der bei seiner Hochzeit umgekippt war. Es stellte sich heraus, dass er einen Holoanzug trug und fast hundertfünfzig Jahre alt war. Jenseits jeder Hilfe durch die Biotechnikteams hatte er sich dafür entschieden, wie jemand viel Jüngerer auszusehen. Seine Zukünftige hatte bis zu seinem Tod nicht die leiseste Ahnung gehabt.
    Niemand ist mehr der, der er ist, dachte Tristan. Weshalb können die also keine Mimiks akzeptieren?
    Er kannte die Antwort. Wir sind von der Empfängnis an anders. Wir haben das Goleman-Chromosom, und das bedeutet, dass wir niemals wirklich menschlich waren.
    Er sah sich um, sah auf die Uhr … eigentlich hätte er inzwischen schon den Kontakt herstellen sollen. Sein Einsatz würde ein schnelles Ende finden – und seine Hoffnung auf Selbstheit würde verschwinden –, wenn er die Kontaktperson mit dem Codeschlüssel nicht fand. Vielleicht in einem anderen Saal, dachte er.
    Er ging auf den Bereich zu, wo die Reals sich aufhielten, die die Angst hatten, WetHeads zu werden, Angst, ihr ganzes Leben im Ocean treibend zu verbringen, von einem virtuellen Erlebnis zum Nächsten dahinschwebend.
    Genuss und Erregung waren nicht das Einzige, was die Menschen im Ocean fanden. Die Sehnsucht nach obskuren Empfindungen war immer noch im Wachsen. Der Ocean enthielt ganze Inseln, die seltsamen Abarten des Erlebens gewidmet waren, manche davon packend und erregend, manche genussvoll, manche erschreckend – und wieder andere, die man nicht klassifizieren konnte.
    Aber Smalley’s bot dafür ein Korrektiv. Dieser dunkle Saal bot reale Erfahrungen, reale Freuden, realen Schmerz.
    Eine der großen Attraktionen war NOK, ein einfaches Strategiespiel mit realen Figuren auf einem schwebenden Dodekaeder. Fünf NOK-Tische standen ganz vorn, alle in fahles blaues Licht getaucht, das die Gesichter der Kombattanten kaum erkennen ließ.
    Tristan kannte das Spiel und seine Regeln, aber ihm fehlten der Instinkt und der Sinn für Strategie, die es brauchte, um gut zu spielen. Vielleicht fehlte ihm als Mimik überhaupt der Sinn für das Spielerische.
    Dabei war das Spiel ganz einfach: Man verschob Figuren, eroberte Bereiche des schwebenden Körpers und eroberte andere Figuren. Das Unangenehme an NOK war, dass jeder Spieler direkt mit dem Brett verdrahtet war.
    Und jedes Mal, wenn man eine Figur verlor, bekam man einen kleinen Gehirnschock – einen widerwärtigen elektrischen Schlag, den die Spielmanager von Smalley’s sorgfältig unter Kontrolle hielten. Aber manchmal übertrieben sie ein wenig. Tristan hatte bei NOK-Spielen schon schlimme Zuckungen erlebt. Und er hatte von ein oder zwei Fällen von Herzstillstand gehört.
    Ein dunkler, stiller Raum, dessen Stille nur von den realen Schreien realer Menschen gestört wurde, die verloren hatten.
    Tristan schob sich langsam auf einen Tisch zu, um den sich eine größere Anzahl von Menschen versammelt hatte. Sie alle beobachteten einen grauhaarigen Mann, dessen hohe Stirn in dem bläulichen Licht schimmerte, während er sich seinen nächsten Zug überlegte.
    Er spielte gegen einen unordentlich wirkenden jüngeren Mann, jemanden, der wie ein WetHead aussah. Wie hatten sie den aus dem Ocean hereingezogen?, fragte sich Tristan. Welcher Köder hatte ihn aufs trockene Land gelockt? Manche WetHeads blieben so lange eingechipped, dass sie Nahrung und alle Körperfunktionen völlig vergaßen. Sie wurden dann tot ausgespült … ertrunken.
    Kein großes Problem, hieß es in den Gloms.
    Der grauhaarige Mann, offenbar ein NOK-Meister, machte einen Zug. Obwohl aus den äußeren Räumen

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