Geheimakte Proteus
Frau? Aber wenn er sie zu Okasan brachte, konnte sie Tristan wiedersehen. Ihre Hand berührte das Etui in ihrer Tasche.
Das gab ihr Mut. Sie wollte diese Frau sehen. Alle Wege … der von Trev … der von Tristan … alle führten sie zu Okasan. Und vielleicht konnte diese geheimnisvolle Frau ihr helfen, das zu verstehen, was mit Trev passiert war, und vielleicht konnte sie auch Ordnung in ihre Gefühle für diesen Mimik bringen, der Trevs Gestalt angenommen hatte.
»Wir müssen hier nach rechts abbiegen.«
Sie bogen um die Ecke, und der Zwerg-Triceratops trottete schneller werdend auf eine alte Frau zu, die an einem Tisch saß.
Die alte Frau blickte auf.
»Das«, sagte ihr Begleiter mit einer Geste, die sein buntes Gewand flattern ließ, »ist Okasan.«
Die alte Frau nickte. »Und Sie sind?«
Lani zögerte einen Augenblick. »Ich bin Lani Rouge. Ein Datameister.«
»Setzen Sie sich, Lani Rouge«, sagte die alte Frau mit brüchiger Stimme. »Mung, hol ihr einen Stuhl.«
Lani nahm den Stuhl von Mung entgegen – Holz, eine Antiquität, frühes einundzwanzigstes Jahrhundert. Sie hatte nie einen solchen Stuhl gesehen, echtes Holz, zerkratzt. Barg dieser Tunnel noch andere antike Schätze?
»Wie Sie vielleicht schon erraten haben, ist es kein Zufall, dass Mung Sie gefunden hat.« Lani sah zu Mung hinüber. War er in dem Lagerhaus gewesen? »Wir sind Ihnen gefolgt, als Sie Flagge Glom verlassen haben. Wir haben gehört, dass Sie nach mir gefragt haben. Wie wäre es also, wenn Sie mir erklären würden, weshalb Sie in die Freizone gekommen sind.«
Lani erzählte Okasan ihre Geschichte, wie sie von Kaze-Agenten gefangen genommen worden, wie Tristan ein Zellmuster von ihr genommen hatte und wie er sie geworden war.
»Eine beschreibbare Schablone?«, wiederholte Mung. »Nein, das kann nicht sein.«
Lani nickte. »Doch, es stimmt. Er hat Zellen aus meiner Mundhöhle geschabt und hat in mich gefluxt.«
»Das verschafft …«, sagte die Frau langsam, »… Kaze einen weiten Vorsprung vor Flagge Glom. Damit könnte Kaze das mächtigste aller Gloms werden.«
»Warum sollen wir ihr glauben?«, fragte Mung.
Aber Okasan hob die Hand. »Fahren Sie fort.«
Lani schilderte, wie sie aus dem Lagerhaus entkommen war und Tristan in ihrem Apartment entdeckt hatte. Sie erzählte Okasan von Trev.
»Tristan hatte die Masque meines … von jemandem, der mir nahe stand, benutzt, einem Mann namens Trev, der -«
»Trev?«, fiel ihr Okasan ins Wort. »Sie haben Trev gekannt?«
»Ja. Wir … standen einander sehr nahe. Er hat von Ihnen gesprochen. Haben Sie ihn gekannt?«
»Natürlich habe ich ihn gekannt. Alle haben wir ihn gekannt. Aber von Ihnen wussten wir nichts.« Die alte Frau wirkte jetzt erregt. »Mung, sie hat Trev gekannt.«
»Das sagt sie, aber -«
»Überleg doch, Mung: Kaze hat seinem Agenten den toten Liebhaber dieses Datameisters als Masque gegeben.«
Warum ist sie plötzlich so erregt?, fragte sich Lani.
»Ein Zufall?«, überlegte Mung.
»Oh, das bezweifle ich. Das bezweifle ich sogar sehr.« Okasan wandte sich wieder an Lani. »Und dieser Tristan, dieser Mimikagent von Kaze – er hat mich Ihnen gegenüber erwähnt?«
Lani nickte.
»Er hat Ihnen vertraut?«, fragte Mung.
»Ja, und ich -«
»Ein Kazeagent, der einem Flagge-Datameister vertraut! Er muss verrückt sein«, sagte Mung. »Das ist alles verrückt.«
»Ich habe niemandem etwas davon gesagt. Ich wollte ihm das hier zurückgeben -«
Lani reichte Okasan das flache Metalletui.
»Seine Garderobe?«
»Sie gehört Tristan. In dem Etui sind seine anderen …«
»Masquen«, sagte Mung und nahm das Etui von Okasan entgegen. »Er wird das zurückhaben wollen.«
Und ich will ihn zurückhaben.
»Es enthält die Masque, die er trug, als er Flagge Quarter betrat«, sagte Lani.
Nicht irgendeine Masque, dachte sie dabei. Trev …
Mung legte das Etui auf den alten Holztisch. »Nun, jetzt haben wir keine Möglichkeit, ihm das Etui zu geben.«
Lani sah Mung an. Sie hatte erwartet, Tristan hier anzutreffen. War das denn nicht Okasan, die Mimikerlöserin, die Anführerin des Mimikuntergrunds? Sie hatte angenommen, dass Tristan zu ihr gehen würde.
»Ich verstehe nicht. Er ist doch hier, oder? Hier ist doch -«
Irgendwo im Hintergrund waren Stimmen zu hören, und Lani drehte sich kurz um. War das etwa eine Razzia? Hatten die Polizisten sie hierher verfolgt?
Okasans Blick wirkte besorgt, aber nicht extrem beunruhigt. Offenbar erkannte sie die
Weitere Kostenlose Bücher