Geheimauftrag Phantom
durch das Gemäuer, das innen breiter war, als es von außen schien. Die Wohnungen waren klein, aber sehr gemütlich; sie besaßen zudem gerade Wände, weil auch der Turm nicht rund war.
Den Schlüssel zu ihrer Zimmertür trug sie bei sich und schloß die Für auf. Die Sonne schien geradewegs durch das große Fenster. Um die Karten legen zu können, brauchte Madame Sousa eine gewisse Atmosphäre. Die verschaffte sie sich, indem sie die Vorhänge zuzog. Danach war es fast zu dunkel, deshalb stellte sie eine Lampe auf einen bestimmten Platz des Schreibtisches, wo sie normalerweise Hefte und Arbeiten korrigierte.
Nun hatte sie das richtige Licht und die richtige Atmosphäre, um sich die Tarot-Karten legen zu können. Madame Sousa besaß die Karten seit ihrer Jugend. Von ihrer Großmutter hatte sie das Spiel bekommen und hatte ihr das Versprechen abgeben müssen, es wie ihren eigenen Augapfel zu hüten. Aus diesem Grunde schloß sie das Spiel auch stets sorgfältig ein.
Aus dem kleinen Wandsafe hatte sie das Paket geholt und legte es auf den Tisch. Schon oft genug hatte sie sich dem Ta rot gewidmet, wenn sie persönlich nicht mehr weiterwußte. Die Karten würden ihr zwar nicht den Namen des Mörders nennen können, doch sie ging davon aus, daß sie ihr Wege wiesen und Strömungen aufzeichneten.
Court de Gebelin, einer der großen und mächtigen Symboliker des 18. Jahrhunderts hatte in den Karten einen Schlüssel zu den Mysterien des Mittelalters und der alten Welt gesehen. Er fand in ihnen eine Zusammenfassung zahlreicher Religionen und Weisheiten, wobei sich asiatische, orientalische und auch europäische Mystik miteinander vermischten und Wege aufzeichneten, die sensitive Menschen als Zukunftsdeutungen annahmen.
Zu diesen Personen gehörte auch Madame Sousa. Es war ungewöhnlich, daß ihre Finger während des Mischens zitterten. Gaukler, Kaiser, Kaiserin, Hohepriester, Hohepriesterin, die Eiebenden, die Gerechtigkeit, das Glücksrad, der Tod, alle Symbole wurden kräftig gemischt.
Dieses Gerippe, das mit einer Sense hantierte. Ein Symbol, vor dem sich die Frau fürchtete, ebenso wie vor dem Motiv des Teufels, der auch der Herr der Nacht oder der Meister des Hexensabbats genannt wurde. Zum Glück hatte sie mit den letzten beiden Karten wenig zu tun gehabt. Nur einmal, als ihre Mutter starb.
Bis auf das Klatschen der Karten beim Mischen war es still in dem Zimmer. Sogar das Atmen der Madame war nicht zu hören. Auf ihrer Stirn lag ein feiner Schweißfilm, als sie die einzelnen Karten verdeckt auf den Schreibtisch legte und sich dabei an die Regeln hielt. Sie wußte genau, wie sie die Karten zu legen hatte. Sie legte mit ihnen ein großes Sechseck, in dessen Innenraum auch noch andere Karten ihren Platz fanden. Erst im Licht der Lampe waren die feinen Linien zu sehen, die auf die Schreibtischplatte eingezeichnet worden waren. Man sah sie als sogenannte Kanäle an, die die einzelnen Karten miteinander verbanden.
Madame Sousa lehnte sich zurück. In ihrem Rücken spürte sie den harten Druck des Stuhls. Es war ungewöhlich, plötzlich fürchtete sie sich davor, die Karten aufzudecken, als könnte sie dadurch etwas Furchtbares erleben.
Bevor sie mit dem Aufdecken der Karten begann, holte sie aus einer der Schubladen eine kleine Blechschachtel hervor, öffnete sie und schaute auf die letzten drei dünnen Zigarillos. Sie klaubte einen hervor und zündete ihn an. Nach dem Paffen der ersten drei Wolken, die wie Nebel in den gefächerten Lichtschein drangen, deckte sie die Karten auf. Sie wußte nicht, welches Motiv welchen Kanal verband, aber sie wußte, daß die Karte in der Mitte sehr wichtig war. Ihr Motiv konnte für die Zukunft wichtig werden.
Der Reihe nach deckte sie die Karten auf. Sie fing außen an, vor jedem Herumdrehen spürte sie die innere Spannung, um einen Moment später aufzuatmen.
Noch sah sie den Tod nicht.
Das Risiko, daß diese Karte genau in der Mitte lag, wurde größer. Sie machte weiter.
Hastig rauchte sie dabei. Die grauen Qualmwolken wehten in den Lichtschein und füllten zudem den Lampenschirm aus. Die Hohepriesterin schaute sie an, danach den Wagen, die siebte Karte des Tarot.
Auf einmal war er da — der Teufel!
Sein Motiv sprang sie förmlich an. Er befand sich rechts neben der Sonne, doch sie hatte den Eindruck, als würde er alles verdüstern, auch das Licht des Himmelskörpers.
Die nächsten Karten drehte sie herum. Der Tod war nicht dabei. Allmählich näherte sie sich dem
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