Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
Verbannung, Kerker- und sogar Todesstrafen werden ausgesprochen und vollstreckt. Auch weiter im Norden Europas sind Anhänger und Vertreter traditioneller Werte und Ordnung davon überzeugt, dass ohne die Freimaurer der französische König niemals seinen Kopf verloren hätte, dass die Logen die Revolution zu verantworten haben. Sind das nur haltlose Verleumdungen, oder haben diese Anschuldigungen vielleicht doch jenen berühmten wahren Kern?
Bruderkrieg im Bürgerkrieg: Frankreichs große Revolution
Versailles, am 23. Juni 1789. Seit Wochen ringen die 1139 Vertreter aus Adel, Klerus und Bürgertum um die Zukunft Frankreichs. Die Tage der absoluten Monarchie sind gezählt. Davon ist die Mehrheit in der Nationalversammlung überzeugt. Der Staat braucht eine Verfassung, um Chaos und Bürgerkrieg zu verhindern, denn die hungernden Bauern und Arbeiter sind bald nicht mehr unter Kontrolle zu halten. Auf seine Soldaten kann sich der König nicht mehr verlassen. Das Land steht am Abgrund. Das weiß jeder. Nicht jedoch Ludwig XVI., der an jenem Tag im Juni 1789 erklärt: Niemand habe ihm etwas zu raten – und erst recht nicht der Pöbel, der dritte Stand: «Ich werde allein für das Glück meines Volkes sorgen.» Ludwig verlangt, dass die Abgeordneten des Bürgertums, die in der Versammlung die Mehrheit stellen, sofort den Saal verlassen. Jeder der Stände soll getrennt tagen. Die Antwort ist eisiges Schweigen. Dann stehen drei Deputierte auf, um mit ein paar Worten die Welt aus den Angeln zu heben: «Es scheint, die versammelte Nation nimmt keine Befehle entgegen», sagt der Freimaurer und Präsident der Versammlung, Jean-Sylvain Bailly. Der Vordenker der Revolution Emmanuel Joseph Sieyès, ebenfalls Mitglied einer Loge, erhebt sich und spricht: «Meine Herren Abgeordneten, wir sind heute das, was wir gestern waren. Die Beratungen gehen weiter.» Und um dem König klarzumachen, was die Stunde geschlagen hat, entgegnet der Abgeordnete Gabriel de Riqueti, Marquis de Mirabeau und Freimaurer in der Elite-Loge «Les Neuf Sœurs» . (Die Neun Schwestern), dem König: «Wir weichen nur der Gewalt der Bajonette.»
An jenem Tag im Juni 1789 endet die Vorherrschaft der Monarchie in Europa. Denn kein einziger Soldat seiner Majestät senkt das Gewehr, um die Bürger aus der Versammlung zu vertreiben. Drei Wochen später stürmen Aufständische die Bastille in Paris. Vier Jahre später wird Ludwig XIV. enthauptet.
Die Französische Revolution verändert das politische Gesicht Europas. Tat sie es, weil Freimaurer es so wollten? Schon wenige Jahre nach der Revolution, im Jahr 1797, gibt Augustin Barruel, Abbé und Domherr in Paris, all jenen eine Stimme, die überzeugt sind, dass ohne den Einfluss der Freimaurer ein Umsturz unmöglich gewesen wäre. In seinen fünf Büchern über die «Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus» spricht er ein vernichtendes Urteil: Die Freimaurer allein seien für die Revolution und ihre Gewaltexzesse verantwortlich, für den Tod Zehntausender Menschen. Das Werk des französischen Geistlichen gilt heute als antifreimaurerisches Standardwerk – und als pure Propaganda.
Außer Frage steht, dass die Logen damals wissen, dass die Tage der absoluten Monarchie gezählt sind. In den 1789 einberufenen Generalständen, aus denen die Nationalversammlung hervorgeht, sind von den 578 Deputierten des Bürgertums 477 Freimaurer, von den 270 Adligen sind es 90, und auch unter den Klerikern befinden sich Logenmitglieder. Im vorrevolutionären Frankreich ist die Loge «Les Neuf Sœurs» Dreh- und Angelpunkt einer Art «Freimaurer-Demokratie». Einige ihrer Mitglieder sind weltberühmt: Montesquieu und Voltaire sind die Speerspitze einer ganzen Phalanx führender Wissenschaftler, Dichter und Maler, die sich in den Logen wohlfühlen. Sie sind das intellektuelle «Führungspersonal» des neuen Frankreichs.
Doch die Zahlen und die Rolle der Freimaurer in den Tagen und Monaten vor der Revolution täuschen. Von den politischen Erdbeben, die Frankreich und Europa erschüttern, werden auch die Logen überrascht. Viele Freimaurer sind Royalisten, die an nichts weniger denken als an eine gewaltsame Beseitigung der Monarchie. Den radikalen Schwung bekommen die Ereignisse erst durch die Wut der verarmten Bauern auf dem Land und die Militanz der hungernden Arbeiter, Handwerker und Soldaten in Paris. 1792 werden die Logen von den radikalen Jakobinern zwangsaufgelöst. Deren Schreckensherrschaft unter der
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