Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
es wagen, an eine das Universum lenkende göttliche Kraft zu glauben, aber nicht an jenen Gott, der den Alltag der Menschen bestimmt.
Die Grundsteinlegung für das Kapitol 1793 erfolgt nach freimaurerischem Ritual – vollzogen vom ersten US-Präsidenten George Washington.
Wer einen Blick auf die Jahre zwischen der Boston Tea Party und der Grundsteinlegung wirft, wird erkennen, warum damals niemand protestiert: Mit Fug und Recht kann die Freimaurerei nämlich behaupten, eine der einflussreichsten geistigen Strömungen in den USA zu sein. Allein die Zahlen beeindrucken schon: Es heißt, dass 30 Prozent der US-Generäle im Unabhängigkeitskrieg Freimaurer sind. Die «Declaration of Independence» . (Unabhängigkeitserklärung)unterzeichnen mindestens neun Freimaurer, und 13 Unterschriften unter der «Constitution of the United States» . (Verfassung der Vereinigten Staaten) stammen ebenfalls von Freimaurern.
Heute braucht man in den Untiefen des Internets nicht lange zu suchen, bis man die Behauptung findet, die USA würden von einer Geheimregierung ferngesteuert. Es heißt sogar, darum zeige das Straßennetz in Washington bestimmte Symbole der Freimaurer, wie Winkel und Zirkel und auch das Antlitz Baphomets, des Götzen der Templer. Jedoch stimmt das eine so wenig wie das andere. Tatsache ist, dass Washington D. C. am Reißbrett entsteht. Doch die maßgeblichen Stadtplaner Pierre Charles und Andrew Ellicott sind keine Freimaurer. Sie legen die Stadt lediglich streng geometrisch an. Ähnliches kann man auch aus dem Grundriss von Städten konstruieren, die eines Freimaurereinflusses völlig unverdächtig sind: Pjöngjang in Nordkorea, Riad in Saudi-Arabien oder Neu-Delhi in Indien.
Auffälligkeiten gibt es aber auch zwischen bestimmten Sternenbildern und der Lage bedeutender Bauwerke in Washington D. C. Der Freimaurer-Forscher David Ovason fand Hinweise darauf, dass die Lage von Kapitol, Washington Monument und Weißem Haus die Hauptsterne des Sternbilds Jungfrau widerspiegeln. Ähnliches behauptet man auch bei den Pyramiden auf dem Gizeh-Plateau in Ägypten. Die Jungfrau hat laut Ovason eine große Bedeutung in der Symbolwelt der Freimaurer. Sie repräsentiert die altägyptische Göttin Isis. Ihre Gestalt steht für den mystischen Prozess der Wiedergeburt und Wiederbelebung. Skeptiker entgegnen, dass Astrologie damals auch außerhalb der Freimaurerei hoch im Kurs steht und all das kein Beweis für den Einfluss der Logen auf das Stadtbild Washingtons sei. Ähnliches gilt für die heißdiskutierten Symbole auf dem US-Staatssiegel und der Ein-Dollar-Note: Allsehendes Auge, Ölzweige und bestimmte Zahlenwerte sind keine freimaurerischen «Erfindungen» und auch unter Nicht-Freimaurern populär. Von einer speziellen Ausrichtung kann also nicht die Rede sein – auch wenn Verschwörungstheoretiker dahinter natürlich eine perfide Taktik sehen, den wahren Einfluss der Logen zu verschleiern.
Von diesen «interpretatorischen Grabenkämpfen» abgesehen ist Washington D. C. für die amerikanischen Freimaurer tatsächlich ein ganz besonderer Ort. Nur wenige Kilometer vom Weißen Haus entfernt ragt genau 333 Fuß (101 Meter) hoch das George Washington Masonic Memorial in den Himmel. Mitten in Washington befinden sich zudem ein imposanter Tempel des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus und andere Freimaurer-Gebäude. Auch ein Denkmal für den Südstaaten-General Albert Pike steht dort, ein «Freimaurer-Guru» seiner Zeit, der einen Großteil seines Lebens der Ritualwelt des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus widmet. Und worauf wohl jeder US-Freimaurer uneingeschränkt stolz ist, sind die mindestens 14 ihrer Brüder, die US-Präsidenten geworden sind und im Weißen Haus regiert haben.
Im Reich der 97 Grade
Freimaurer als Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, der Verfassung, als US-Präsidenten – reicht das aus, um zu sagen, die USA werden von Freimaurern gelenkt? Was dazu so gar nicht passt, ist die Tatsache, dass es im 19. Jahrhundert etliche Jahre regelrecht gefährlich ist, sich zu einer Logenmitgliedschaft zu bekennen – ähnlich wie es in den 1950er Jahren während der McCarthy-Ära riskant ist, ein Kommunist zu sein.
Die Krise der US-Freimauerei beginnt in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, als die Erinnerungen an die glorreichen Taten der freimaurerischen Gründungsväter allmählich verblassen. Zunehmend finden Prediger Gehör, die gegen die angebliche Gottlosigkeit der Logen
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