Geheimcode Makaze
bislang weder zur Luke noch bis zum Kran vorgedrungen. Außerdem hatte es das Enterkommando offenbar so eilig gehabt, das Schiff zu verlassen, dass die Männer den Kranhaken nicht vom Lukendeckel gelöst hatten.
Er sprintete zum Kran, sprang ins Führerhaus, warf den Dieselmotor an und schob sofort die Hebel nach vorn, um das Zugseil zu straffen. Unerträglich langsam hob sich der Ausleger und zog den schweren Deckel hoch. Dann schwenkte er ihn knapp anderthalb Meter nach Steuerbord, sprang wieder aus dem Führerhaus und ließ den Deckel einfach in der Luft hängen.
Er stürmte zur offenen Luke, sah, dass das Wasser nurmehr dreißig Zentimeter unter der Kante stand und dass da unten dreißig Männer trieben, die um ihr Leben kämpften. Noch zwei Minuten, schätzte er, dann wären sie alle ertrunken. Er beugte sich hinab, packte zu und zog einen nach dem anderen heraus. Diejenigen, die bereits an Deck waren, halfen ihm, sodass innerhalb kürzester Zeit alle gerettet wurden. Den letzten Mann allerdings, Kapitän Morgan, barg Ryan persönlich.
»Gute Arbeit, Tim«, sagte der Kapitän, der kurz zusammenzuckte, als er sich mit wackligen Beinen aufrichtete.
»Tut mir Leid, dass ich die Belüftungsluke nicht gleich überprüft habe, Sir. Wir hätten alle viel früher rausschaffen können, wenn wir gewusst hätten, dass sie nicht verriegelt war.«
»Aber das war sie doch zuvor. Verstehen Sie das denn nicht? Dirk hat sie entriegelt. Er hat uns ein Klopfzeichen gegeben, aber wir haben es nicht kapiert.«
Ryan blickte kurz auf, als würde ihm mit einem Mal alles klar. »Ihm und Summer sei’s gedankt. Die armen Teufel. Aber ich fürchte, wir sind noch nicht aus dem Schneider, Sir. Das Schiff sinkt schnell.«
»Sagen Sie allen Bescheid, dass wir das Schiff aufgeben müssen. Und sorgen Sie dafür, dass die Rettungsboote zu Wasser gelassen werden«, erwiderte Morgan und humpelte über das schräg ansteigende Deck in Richtung Bug. »Ich sehe zu, dass wir einen Notruf absetzen.«
Wie auf ein Stichwort kam Melissa, die Funkerin auf sie zugerannt.
»Sir«, japste sie atemlos. »Sie haben die Funkanlage zerschossen … und die Satellitenkommunikation. Wir können kein Mayday funken.«
»Na schön«, erwiderte Morgan ruhig. »Wir bringen unsere Seenotfunkbojen aus und warten, bis uns jemand sucht. Begeben Sie sich zu Ihrem Rettungsboot. Wir müssen sofort alle vom Schiff bringen.«
Erst jetzt, als er davonrannte, um bei den Rettungsbooten auszuhelfen, bemerkte Ryan, dass die
Starfish
nicht da war. Er lief kurz ins Hilfslabor, wo er feststellte, dass die geborgenen Bomben fortgeschafft worden waren. Damit war endgültig klar, weshalb das Schiff geentert worden war.
Nach den Todesängsten, die sie im Frachtraum hatte durchmachen müssen, verhielt sich die Besatzung ungewöhnlich gelassen, als sie das Schiff verließ. Ruhig und gefasst begaben sich die Männer und Frauen zu ihren Rettungsbooten, froh darüber, dass sie noch einmal mit dem Leben davongekommen waren, auch wenn das Schiff zusehends schneller sank. Schon stand das ganze Achterdeck unter Wasser, und die beiden Rettungsboote am Heck wurden überflutet, bevor sie aus den Davits gelöst werden konnten. Die Besatzungsmitglieder, die ihnen zugewiesen waren, wurden rasch auf die anderen Boote verteilt, die in aller Eile zu Wasser gelassen wurden.
Morgan humpelte über das abschüssige Deck, das mittlerweile um gut dreißig Grad nach hinten abfiel, zu seinem Kapitänsboot, das bemannt und bereit zum Ausbringen war. Er hielt kurz inne und ließ den Blick ein letztes Mal über das Deck seines Schiffes schweifen, wie ein Zocker, der alles gesetzt und verloren hat. Das Schiff knirschte und ächzte unter der Last des eindringenden Wassers, das die unteren Abteilungen überflutete und die Statik überforderte. Das Schiff strahlte eine ungeheure Trauer aus, fast so, als wüsste es, dass es viel zu früh im Meer versank.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sämtliche Besatzungsmitglieder in Sicherheit waren, entbot Morgan seinem Schiff einen kurzen, zackigen Salut, stieg in das Rettungsboot und ging als Letzter von Bord. Das Boot wurde rasch ausgefiert und von dem unglücklichen Schiff weggesteuert. In diesem Moment kroch die Sonne über den Horizont und tauchte das Forschungsschiff, das in den letzten Zügen lag, in ihren ersten goldenen Schein. Morgans Rettungsboot war erst ein paar Meter weit weg, als der Bug der
Sea Rover
jäh emporstieg, dann glitt das
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