Geheimcode Makaze
schlugen sich zu den Lichtern auf der anderen Seite durch. Aber das kalte Höhlenwasser hatte an ihren Kräften gezehrt, und jetzt wurden sie zusehends müder. Fünfeinhalb bis sechs Kilometer lagen noch vor ihnen, eine ziemlich happige Strecke, zumal sie wahrscheinlich ein ums andere Mal abtauchen mussten, um nicht entdeckt zu werden. Aber ob sie Tongju und seinen Häschern letztlich entrinnen konnten, war mehr als ungewiss.
Doch es gab noch eine dritte Möglichkeit. Das kleine Schiff mit den bunten Lichtern, das ihnen vorhin aufgefallen war, näherte sich und war nur mehr einen knappen Kilometer entfernt. In der Dunkelheit konnte Dirk nichts Genaues erkennen, aber offenbar handelte es sich um ein hölzernes Segelschiff. Im weißen Lichtschein einer Mastlaterne sah er ein kleines, viereckiges rotes Segel, doch das Boot war allem Anschein nach kaum schneller als die Strömung.
Dirk schätzte seinen Kurs ab, schwamm hundert Meter weiter in den Fluss hinaus und hielt dann inne. Summer kraulte zunächst an ihm vorbei, ehe ihr klar wurde, dass er zurückgeblieben war.
»Was gibt’s? Wir müssen weiter«, flüsterte sie, nachdem sie kehrtgemacht hatte.
Dirk deutete mit dem Kopf flussabwärts, zu dem Katamaran. Das schnittige Boot zog in weitem Bogen auf den Strom hinaus und drehte dann ab. Er überschlug kurz den Kurs, auf dem es bei dieser Runde zurückkommen würde.
»Wenn sie das nächste Mal flussaufwärts suchen, haben sie uns in Sichtweite«, sagte er leise.
Summer wusste, dass er Recht hatte. Bei der nächsten Runde konnten sie von den Suchscheinwerfern erfasst werden. Sie mussten also tauchen und mehrere Minuten unten bleiben, wenn sie nicht entdeckt werden wollten.
Dirk warf einen kurzen Blick flussaufwärts. »Schwesterherz, ich glaube, wir gehen zu Plan B über.«
»Plan B?«, fragte sie.
»Ja. Plan B. Daumen raus und trampen.«
Träge schipperte das hölzerne Segelboot, das mit seinem kleinen Hilfsmotor und dem Vorsegel kaum drei Knoten schneller war als die Strömung, den Fluss hinab. Als es näher kam, konnte Dirk erkennen, dass es sich um eine dreimastige Dschunke handelte, etwa fünfundzwanzig Meter lang. Doch im Gegensatz zu den meist ziemlich abgehalfterten Segelbooten, denen man in diesem Teil der Welt für gewöhnlich begegnete, schien die Dschunke in erstklassigem Zustand zu sein. Edles, hervorragend lackiertes Teakholz schimmerte im Schein der schwingenden, bunten chinesischen Lampions, die vom Bug bis zum Heck aufgezogen waren, als ob an Bord eine Party stattfände. Unter Deck lief offenbar eine Stereoanlage, denn Dirk hörte Orchestermusik, erkannte dann eine Gershwin-Melodie. Doch trotz der Festbeleuchtung war keine Menschenseele an Bord zu sehen.
»Ahoi! Wir sind im Wasser. Können Sie uns helfen?«
Niemand reagierte auf Dirks Rufe, als die Dschunke näher kam. Er rief erneut, wieder nur verhalten, um zu verhindern, dass die Männer in dem Katamaran, der jetzt wieder flussaufwärts steuerte, auf sie aufmerksam wurden. Als er ein Stück näher auf die Dschunke zuschwamm, meinte Dirk jemanden am Heck zu sehen, aber wieder antwortete niemand auf seine Hilferufe. Er versuchte es ein drittes Mal, ohne wahrzunehmen, dass der leise tuckernde Dschunkenmotor höher drehte.
Ein kunstvoll geschnitzter Drache am Bug der Dschunke beäugte mit boshaftem Blick die beiden Wesen, die an Steuerbord, keine drei Meter neben ihm, im Wasser trieben, dann glitt der golden schimmernde Teakholzrumpf an Dirk und Summer vorbei, als ob sie einem Geisterschiff begegnet wären, auf dem niemand ihre Hilferufe hören konnte. Als das Heck an ihnen vorbeizog, gab Dirk jede Hoffnung auf und fragte sich nur noch, ob der Bootsführer schlief oder besoffen war, vielleicht auch beides zugleich.
Mit bangem Blick spähte er auf den näher kommenden Katamaran, als plötzlich unmittelbar neben ihm das Wasser aufspritzte. Ein orangefarbener Plastikschwimmer, an einer Leine befestigt, die zum Heck der Dschunke führte, trieb in den Fluten.
»Halte dich gut fest«, sagte er zu seiner Schwester und überzeugte sich davon, dass Summer das Tau zu fassen bekam, bevor er selbst zupackte. Unterdessen machte die Dschunke deutlich mehr Fahrt, und als sich die Leine straffte, wurden sie zunächst unter Wasser gezogen, dann pflügten sie mit dem Gesicht voran durch den Fluss, wie gestürzte Wasserskifahrer, die das Zugseil nicht loslassen wollten. Dirk hangelte sich langsam an der Leine entlang, kletterte dann über das hohe Heck der
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