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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Chef?« fragte Anton, während er die Tür zu einem Zimmer öffnete. »Kein Heimweh nach Weib und Herd?«
    »Eigentlich nicht, Anton. Ich bin nur ein bißchen … nervös. Aber trotzdem guter Hoffnung.«
    Diese Steilvorlage lie ß er sich natürlich nicht entgehen. »Na, das ist ja fein. Wann ist es denn soweit?«
    Ich machte mir klar, da ß wir seit meinem fehlgeschlagenen Anruf bei Hannah noch kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten. Es konnte nicht schaden, ein bißchen auf ihn einzugehen. Die Ehefrau fiel mir wieder ein, mit der er angeblich seit acht Jahren nicht mehr gesprochen hatte, und ich lachte. »Sind Sie wirklich verheiratet, Anton?«
    »Hin und wieder, Chef. Ab und zu.«
    »Zwischen zwei Aufträgen, sozusagen?« riet ich.
    »Sozusagen, Chef. Wie man’s nimmt. Wie’s eben so kommt.«
    Ich probierte es noch einmal. »Und was machen Sie in Ihrer Freizeit? Wenn Sie nicht das hier machen, meine ich?«
    »Alles mögliche. Bißchen Knast, wenn ich die Geduld dazu habe. Ich bin gern in Kapstadt. Nicht im Gefängnis, am Strand. Und zwischendurch steig ich auch schon mal den Weibern nach. Das Übliche eben. So, und jetzt sprechen wir brav unser Nachtgebet, weil wir doch morgen unseren großen Tag haben, und wenn Sie Scheiße bauen, ist die Kacke für uns alle am Dampfen, und das wär unserem Skipper ganz und gar nicht recht.«
    »Und Sie sind sein Erster Offizier, ja?« fragte ich bewundernd. »Da haben Sie sicher ganz schön was zu tun.«
    »Sagen wir mal so: Wer soviel Quecksilber im Leib hat wie er, der braucht schon einen, der ein bißchen auf ihn aufpaßt.«
    »Und ich? Brauche ich auch wen, der auf mich aufpaßt, Anton?« Ich wußte selbst nicht, wo die Frage herkam.
    »Ich sag Ihnen was, Chef: Bei der Körpergröße, bei diesen unwiderstehlichen Schlafzimmerwimpern und bei all den Telefonnummern, die wir im Ärmel haben, sind wir meiner bescheidenen Meinung nach ein ganzer Haufen Leute unter einem einzigen großen Helm, weswegen wir auch so viele Sprachen draufhaben.«
    Nachdem ich leise die T ür hinter ihm geschlossen hatte, setzte ich mich aufs Bett. Eine wohlige Erschöp fung kam über mich. Ich zog die fremden Kleider aus und ließ mich in Hannahs wartende Arme sinken. Aber nicht, bevor ich nicht ein paarmal ausprobiert hatte, ob das Telefon auf dem Nachttisch nicht vielleicht doch angeschlossen war.

6
    Als ich, nur in Unterw äsche gekleidet, zur üblichen frühen Stunde mit einem Ruck aus dem Schlaf fuhr, drehte ich mich aus alter Gewohnheit auf die rechte Seite, um mich in der »Löffelchenposition« an Penelope zu schmiegen, doch wie so oft mußte ich feststellen, daß sie von einem nächtlichen Einsatz noch nicht zurück war. Beim zweiten Aufwachen sah ich schon klarer, nämlich, daß ich im Bett eines verstorbenen weißen Verwandten lag, dessen bärtige Züge aus einem viktorianischen Zierrahmen von der Wand über dem Marmorkamin grimmig auf mich herunterstarrten. Doch beim dritten Mal hatte ich zu meiner Freude Hannah im Arm, und so konnte ich sie, aller Geheimhaltungspflicht zum Trotz, darüber informieren, daß ich bei einer geheimen Mission mitwirkte, die dem Kongo die Demokratie bringen würde, und nur deshalb nicht bei ihr angerufen hatte.
    Erst im n ächsten Anlauf sah ich mich imstande, im Schein der durch den Vorhang lugenden Morgensonne mein komfortables Zimmer zu inspizieren, in dem sich das Traditionelle harmonisch mit dem Modernen verband. Es gab einen Frisiertisch mit einer altmodischen elektrischen Schreibmaschine samt A4-Papier, es gab eine Hosenpresse, es gab eine Kommode, einen Bauernschrank, einen Shaker-Schaukelstuhl, und es gab ein Teetablett mit einem Wasserkocher aus Plastik.
    Auch das Bad bot keinen Grund zur Klage: beheizter Handtuchhalter, Bademantel, Dusche, Shampoo, Bade öl, Feuchttücher, alles, was das Herz begehrte. Aber keinerlei Hinweise auf meinen Aufenthaltsort. Die Toilettenartikel waren von internationalen Herstellern, ich fand keinen Brandschutzplan, keine Wäschelisten, keine Streichholzbriefchen, keine fremd klingende Willkommensnachricht der Geschäftsführung mit einer vorgedruckten, unlesbaren Unterschrift und auch keine Bibel im Nachttisch, ganz gleich in welcher Sprache.
    Nach dem Duschen stellte ich mich im Bademantel an das Fenster mit seinen schweren Granitlaibungen und vertiefte mich in die Aussicht. Das erste, was ich sah, war eine honigfarbene Schleiereule mit ausgebreiteten Fl ügeln, bis auf die äußersten Spitzen der Federn

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