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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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vollkommen reglos. Ein erfreulicher Anblick, aber da Vögel kein Nationenkennzeichen haben, kein sehr hilfreicher. Links und rechts von mir erhoben sich baumlose Hänge mit olivgrünen Weiden, dazwischen glitzerte silbern das Meer, an dessen fernem Horizont ich den Umriß eines Containerschiffes mit unbekanntem Ziel voraus ausmachte, und näher am Ufer eine Schar möwenumkreister kleiner Fischerboote, aber so angestrengt ich auch spähte, ich konnte an ihnen keine Flagge erkennen. Eine Straße war nirgends in Sicht, nur der kurvenreiche Feldweg, über den wir am Vorabend hergerumpelt waren. Auch von unserem Landeplatz war nichts zu sehen, nicht einmal ein Windsack oder eine Antenne. Aus dem Stand der Sonne schloß ich, daß ich nach Norden blickte, und aus dem Laub der jungen B äume, die am Wasser wuchsen, daß der Wind vorherrschend von Westen wehte. Auf einer grasigen Anhöhe näher beim Haus stand ein Pavillon oder Gartenhäuschen im Stil des neunzehnten Jahrhunderts, östlich davon die Ruine eines Kirchleins und ein Friedhof, in dessen einer Ecke etwas aufragte, was wie ein keltisches Kreuz aussah, aber genausogut ein Kriegerdenkmal oder das Monument eines verblichenen Würdenträgers hätte sein können.
    Als ich wieder zum Pavillon schaute, erblickte ich zu meiner Überraschung einen Mann, der auf einer lang ausgefahrenen Leiter stand. Eben war er noch nicht da gewesen, er mußte wohl hinter einer Säule hervorgekommen sein. Neben ihm auf dem Boden stand ein schwarzer Kasten, ähnlich denen, die mit uns im Flugzeug gewesen waren. Sein Inhalt blieb mir verborgen, da der Deckel zu mir hin aufgeklappt war. Ob der Mann etwas reparierte? Und wenn ja, was? Und warum zu dieser frühen Stunde?
    Einmal neugierig geworden, entdeckte ich noch zwei weitere M änner, die ebenfalls Rätselhaftes trieben: Einer lag vor einem Wasser- oder Stromanschluß auf den Knien, der andere erklomm gerade einen Telegraphenmast, wofür er offenbar weder Seil noch Leiter benötigte – ein Kunststück, durch das er ganz nebenbei Penelopes Privattrainer, der sich für Tarzan persönlich hält, mühelos in den ihm gebührenden Schatten stellte. Und diesen zweiten Mann, das wurde mir Sekunden später klar, kannte ich, nicht nur vom Sehen, sondern mit Namen. Er war noch nicht ganz oben angekommen, da hatte ich ihn bereits als meinen gespr ächigen neuen Waliser Freund identifiziert, Spider, den Proviantmeister des Teams und Chatroom-Veteranen.
    Im Nu stand mein Plan fest. Unter dem Vorwand, vor dem Fr ühstück einen kleinen Spaziergang machen zu wollen, würde ich Spider in ein Gespräch verwickeln und mir anschließend auf dem Friedhof die Inschriften der Grabsteine ansehen, um die Landessprache und unseren Aufenthaltsort zu bestimmen. Ich zog meine graue Sträflingshose und das Tweedsakko an, nahm die zu engen Schuhe in die Hand und schlich mich über die Haupttreppe nach unten zur Haustür. Die aber war, wie ich sogleich feststellen mußte, abgeschlossen, genau wie alle anderen Türen und Fenster, bei denen ich mein Glück versuchte. Doch damit nicht genug: Durch eines der Fenster entdeckte ich nicht weniger als drei ausgebeulte Anoraks, die rings um das Haus Wache standen.
    Bei dem Anblick meldeten sich zugegebenerma ßen all die Ängste zurück, die der Gedanke, Maxies ganz speziellen Anforderungen genügen zu müssen, in mir aufgerührt hatte und die trotz aller Entschlossenheit, meinen Beitrag zu der großen Sache zu leisten, in der Nacht immer wieder meinen Schlaf gestört hatten. Besonders ein Traum fiel mir wieder ein, in dem ich im tiefen Wasser schnorchelte. In meiner Taucherbrille stieg das Wasser immer höher. Wenn ich nicht aufwachte, würde es bis ganz nach oben steigen, und ich würde ertrinken. Um mich abzulenken und die negativen Gedanken abzuschütteln, beschloß ich, die Räume im Erdgeschoß zu erkunden und mich bei der Gele genheit schon einmal mit dem Schauplatz meines bevorstehenden Martyriums vertraut zu machen.
    Als ehemaliges Herrenhaus, f ür das ich das Gebäude hielt, besaß es auf der Gartenseite eine Reihe von Durchgangszimmern, deren Terrassentüren auf eine ebene Rasenfläche hinausgingen. Von dort führte eine breite Steintreppe zu dem Säulenpavillon auf dem Hügel hinauf. Nachdem ich mich vorsorglich nach den Anoraks umgeblickt und behutsam die Tür zum ersten Raum geöffnet hatte, fand ich mich in einer ansehnlichen Bibliothek in Wegdewood-Blau mit eingebauten Bücherschränken aus Mahagoni wieder. Ich

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