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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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drückte die Nase gegen die Glastüren, weil ich mir von den Büchern dahinter einen Hinweis auf ihren Besitzer erhoffte, sah aber nur einheitliche Ausgaben der großen Weltschriftsteller in der jeweiligen Originalsprache: Dickens auf Englisch, Balzac auf Französisch, Goethe auf Deutsch und Dante auf Italienisch. Als ich versuchte, die Türen zu öffnen, um womöglich in dem einen oder anderen Band ein Exlibris oder eine Widmung zu finden, waren sie verschlossen, oben wie unten.
    An die Bibliothek schlo ß sich ein holzgetäfeltes Billardzimmer an. Der Tisch, dem Anschein nach eine Dreiviertelgröße, hatte keine Taschen, was auf Frankreich oder ein anderes kontinentaleuropäisches Land hindeutete, aber das Zählwerk aus Mahagoni stammte von Burroughes of London. Der dritte Raum war ein herrschaftlicher Salon mit vergoldeten Spiegeln und einer teilvergoldeten Bronzeuhr, die weder die britische noch die kontinentale Zeit anzeigte, sondern stramm um Punkt zw ölf Uhr stehengeblieben war. Auf einer Konsole aus Marmor und Messing lag eine verlockende Auswahl an Zeitschriften bereit, von der französischen Marie Claire über den T a t l e r bis zum Schweizer Du. Während ich sie noch durchsah, vernahm ich plötzlich aus dem benachbarten vierten Raum einen unterdrückten französischen Fluch. Die Verbindungstür war nur angelehnt. Ich huschte über das blanke Parkett und spähte hinein. Es war ein Spielzimmer. In der Mitte stand ein ovaler, mit grünem Tuch bespannter Kartentisch, um ihn herum acht bequeme Stühle mit breiten hölzernen Armlehnen. Am entfernten Ende saß, kerzengerade hinter einem Computerbildschirm verschanzt, Monsieur Jasper ohne die Baskenmütze, aber dafür mit Tonsur, und tippte im Zweifingersystem vor sich hin. Die rötlichen Stoppeln, die über Nacht in seinem langen Gesicht gesprossen waren, verliehen ihm das Aussehen eines Meisterdetektivs. Er faßte mich ins Auge und musterte mich streng.
    »Warum spionieren Sie mir nach?« fragte er schließlich auf Französisch.
    »Ich spioniere Ihnen nicht nach.«
    »Und warum haben Sie dann Ihre Schuhe nicht an?«
    »Weil sie nicht passen.«
    »Sie haben sie gestohlen?«
    »Geliehen.«
    »Sie sind Marokkaner?«
    »Brite.«
    »Warum sprechen Sie dann Französisch wie ein piednoir?«
    »Ich bin in Äquatorialafrika aufgewachsen. Mein Vater war Ingenieur«, erwiderte ich steif. Auf das Beleidigende an seiner Bemerkung ging ich nicht ein. »Und wer sind Sie?«
    »Ich komme aus Besançon. Ich bin ein französischer Provinznotar mit einer bescheidenen Kanzlei, die sich auf bestimmte technische Sphären der internationalen Rechtsprechung spezialisiert hat. Ich habe französisches und Schweizer Steuerrecht studiert. Ich bin Lehrbeauftragter an der Universität Besançon, wo ich Vorlesungen über die Vorteile von Steueroasen halte. Ich bin alleiniger Rechtsvertreter eines bestimmten anonymen Syndikats. Habe ich Ihre Frage damit zufriedenstellend beantwortet?«
    Seine Ausf ührlichkeit war entwaffnend. Zu gern hätte ich das soeben angedeutete Bild meiner fiktiven Person noch korrigiert, doch die Vorsicht siegte. »Aber wenn Ihre Kanzlei so bescheiden ist, wie kommt es dann, daß Sie einen derart wichtigen Auftrag an Land ziehen konnten?« fragte ich.
    »Ich habe eine blütenweiße Weste, ich bin ein ehrbarer Akademiker, ich praktiziere ausschließlich Zivilrecht. Ich vertrete weder Drogenhändler noch Kriminelle. Interpol hat noch nie etwas von mir gehört. Ich bewege mich streng innerhalb der Grenzen meiner Fachkompetenz. Möchten Sie zufällig auf Martinique eine Holding gründen, die handelsgerichtlich in der Schweiz eingetragen ist und sich im Besitz einer anonymen Liechtensteiner Stiftung befindet, deren Treuhänder Sie selbst sind?«
    Ich lachte bedauernd.
    »Möchten Sie auf Kosten des französischen Steuerzahlers schmerzlos in Konkurs gehen?«
    Wieder sch üttelte ich den Kopf.
    »Aber vielleicht können Sie mir wenigstens verraten, wie man diesen vermaledeiten angelsächsischen Computer bedient. Erst verbieten sie mir, meinen Laptop mitzubringen. Dann geben sie mir einen Laptop ohne Handbuch, ohne Akzente, ohne Logik, ohne …« Doch die Liste der Unterlassungssünden war zu lang, und er endete mit einem Achselzucken astreiner gallischer Verzweiflung.
    »Und woran arbeiten Sie, daß Sie überhaupt nicht ins Bett gekommen sind?« fragte ich mit einem Blick auf die Papierstapel und die leeren Kaffeebecher, die ihn umringten.
    Seufzend lie ß er seinen langen,

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